Michael Lauber (54) mauschelt weiter – selbst, wenn es um seinen Abgang geht. Gestern verschickte der Bundesanwalt kurz vor Mittag eine persönliche Erklärung, in der er seinen Rücktritt bekannt gibt. Oder zumindest so ähnlich. Denn klar und deutlich sagt Lauber nicht, dass er geht. Stattdessen bietet er der Gerichtskommission des Parlaments bloss an, abzudanken. Über die «Modalitäten» will er noch verhandeln.
Dieses Vorgehen befremdet Andrea Caroni (40, FDP), den Präsidenten der Gerichtskommission. Denn die Kommission habe gar nicht die Kompetenz, in dieser Sache das letzte Wort zu sprechen, stellt er klar. Lauber muss selbst gehen. Diesen Entscheid nimmt ihm niemand ab.
Gericht bezeichnet Lauber als Lügner
«Lauber hat der Kommission mitgeteilt, dass wir nächste Woche ein Schreiben von ihm erhalten werden», so Caroni. Was darin steht, ist unklar. Fest steht indes: Hätte Lauber nicht die Reissleine gezogen, wäre er wohl schon in wenigen Wochen des Amtes enthoben worden. Grund dafür ist das von der Gerichtskommission sehnlichst erwartete Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das nun veröffentlicht worden ist.
Dieses bestätigt im Kern, was schon die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft unter Präsident Hanspeter Uster (62) festgestellt hat: Lauber hat sich mit seinen informellen Treffen mit dem Chef des Weltfussballverbands Fifa, Gianni Infantino (50), schwerer Amtspflichtverletzungen schuldig gemacht. An das dritte, unprotokollierte Treffen mag sich Lauber partout nicht erinnern. Eine Lüge, so das Urteil der St. Galler Richter. Es stehe fest, dass Lauber «vorsätzlich die Unwahrheit sagte und das Treffen vom 16. Juni 2017 bewusst verschwieg».
Wann er abtritt, ist unklar
In seiner persönlichen Erklärung schreibt Lauber, dass er das Urteil respektiere. Aber: «Die Unterstellung der Lüge weise ich nach wie vor in aller Form zurück. Wenn man mir jedoch als Bundesanwalt nicht glaubt, dann schadet dies der Bundesanwaltschaft.» Darum biete er der Gerichtskommission «im Interesse der Institutionen» seinen Rücktritt an. Alles Weitere werde er mit ihr besprechen.
Mehr sagt die Bundesanwaltschaft nicht. Es bleibt unklar, wann Lauber wirklich weg ist – und unter welchen Umständen. Versucht er mit dem Abgang auf Umwegen etwa noch eine Abgangsentschädigung herauszuholen? Auf diese hat er bei einem freiwilligen Rücktritt eigentlich keinen Anspruch.
Zwar sind sich die Mitglieder der Gerichtskommission einig, dass ein Abgang Laubers für alle das Beste ist. Doch zu dealen, gibt es nichts mehr. «Der Bundesanwalt hat es in der Hand, nun tatsächlich selbst Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten, statt ein weiteres Mal auf Zeit zu spielen», sagt Grünen-Nationalrätin und Gerichtskommissions-Mitglied Sibel Arslan (40). Noch deutlicher wird SVP-Kollege und Fifa-Kritiker Roland Rino Büchel (54): «Lauber muss jetzt ohne Wenn und Aber gehen. Fertig, aus!»
«So kann es nicht weitergehen»
Doch mit dem Abgang Laubers ist das grundsätzliche Problem nicht gelöst. Viele Parlamentarier sind der Meinung: Es braucht eine Reform der Bundesanwaltschaft. Denn es ist kaum ein Zufall, dass schon Laubers Vorgänger Carla Del Ponte (73), Valentin Roschacher (60) und Erwin Beyeler (68) ihr Amt glücklos ausübten.
«So kann es nicht weitergehen», findet SP-Nationalrat Matthias Aebischer (52). «Nun muss auch das Parlament seine Aufgabe erledigen.» Dieses hat denn auch bereits eine Restrukturierung in die Wege geleitet, um die Bundesanwaltschaft wieder auf stabilere Beine zu stellen. Diskutiert wird etwa, den Bundesanwalt wieder dem Bundesrat zu unterstellen.
Ernsthaft diskutieren muss das Parlament aus Sicht von BDP-Nationalrat Lorenz Hess (59) aber auch einen viel tief greifenderen Umbau: «Wir werden uns nach dieser Leidensgeschichte einmal mehr damit befassen müssen, ob es die Institution Bundesanwaltschaft in dieser Form wirklich braucht.» Eine Option ist, dass sich die kantonalen Staatsanwaltschaften künftig um Fälle von Terrorismus, Kriegsverbrechen oder internationaler Wirtschaftskriminalität kümmern. Der Bundesanwalt würde vor allem noch zwischen den Kantonen koordinieren. So wäre die Gefahr geringer, dass Laubers Nachfolger die Geschichte der Glücklosen weiterführt.