So war sein erster Besuch in Brüssel
Cassis kam und ging mit leeren Händen

Der Aussenminister versuchte, bei seinem Treffen mit EU-Vertretern die Scherben zu kitten. Konkrete Vorschläge hatte er allerdings nicht im Gepäck.
Publiziert: 25.07.2021 um 00:44 Uhr
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Aktualisiert: 25.07.2021 um 10:48 Uhr
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Aussenminister Ignazio Cassis (l.) auf Europatournee, hier zu Besuch beim lettischen Präsidenten Egils Levits in Lettland.
Foto: keystone-sda.ch
Camilla Alabor

Es gleicht schon fast einem Ritual: Steht es um die Beziehungen mit der EU besonders schlecht, reist der Schweizer Aussenminister in die Hauptstädte der Nachbarländer, um die Wogen zu glätten. So geschehen nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative 2014, als Didier Burkhalter (61) nach Berlin und Paris pilgerte, um den konsternierten Nachbarn den Schweizer Volksentscheid zu erklären.

Und so geschehen in den vergangenen Wochen, als Aussenminister Ignazio Cassis (60) seinen Amtskollegen in Paris, Wien und Berlin den Entscheid des Bundesrats zu erläutern versuchte, die Verhandlungen über das Rahmenabkommen abzubrechen.

Kein Plan B in Sicht

Das Problem: Der Bundesrat weiss, was er nicht will – nicht aber, was er der EU stattdessen vorschlagen möchte. Ein Plan B ist nicht in Sicht. Das hielt Cassis nicht davon ab, am Dienstag im Rahmen seiner Minieuropatournee nach Brüssel zu reisen: der erste offizielle Besuch seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren.

Wer nun ein hochkarätiges Treffen erwartete – etwa mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen –, wurde enttäuscht. Bekanntlich will die EU erst im Herbst mitteilen, wie sie ihr Verhältnis mit der Schweiz künftig regeln will; noch ist nicht einmal klar, welche Personen aufseiten der Union künftig für die Schweiz zuständig sind.

Angesichts dieser Ausgangslage entschied sich Cassis für ein Treffen mit EU-Kommissar Johannes Hahn (63), dem langjährigen Ansprechpartner der Schweiz aufseiten der EU. Nur: Hahn wird das Schweiz-Dossier voraussichtlich abgeben. Auch ein Treffen mit Josep Borrell (74), dem EU-Aussenbeauftragten, stand auf der Agenda. Die Schweiz war dabei allerdings kein Thema, vielmehr ging es um internationale Fragen wie die Situation in Libyen.

Ärger noch lange nicht vorbei

Nette Worte gab es immerhin von EU-Parlamentarier Lukas Mandl (42), der für das Parlament in den nächsten Wochen einen Bericht über die Beziehungen mit der Schweiz verfassen wird. In der Vergangenheit habe man dem Trennenden zu viel Aufmerksamkeit gewidmet und dem Gemeinsamen zu wenig, schrieb Mandl nach dem Treffen. «Dabei ist das Gemeinsame viel mehr.»

Die verbalen Streicheleinheiten mögen der Schweizer Volksseele guttun; repräsentativ für die Haltung der EU-Vertreter gegenüber Bern sind sie kaum. Denn der Ärger über den plötzlichen Verhandlungsabbruch ist noch lange nicht verraucht.

Ein Small Talk reiche nicht

Andreas Schwab (48), Leiter der Schweiz-Delegation im EU-Parlament, sagt es so: «Mir ist nicht klar, was die Position der Schweiz ist. Von daher verstehe ich auch nicht ganz, was diese Goodwill-Tour bringen soll.»

Es sei immer gut, miteinander zu reden. Doch sei es eigentlich der Anspruch der Schweiz, zu einer der führenden Wirtschaftsnationen zu gehören. «Da passen diese Gespräche auf dem Niveau von Höflichkeitsbesuchen nicht ganz dazu», so Schwab. Und: «Ein wenig Small Talk reicht nicht, um die Scherben in der Beziehung zwischen der EU und der Schweiz zu kitten.»

Lösungsvorschläge müssen auf den Tisch

In Cassis’ Umfeld sieht man das anders. Jedes Gespräch mit Mitgliedern der EU-Kommission sei hilfreich, um zu erklären, warum der Bundesrat die Verhandlungen über das Rahmenabkommen beendet habe – und die Idee eines politischen Dialogs mit der EU zu thematisieren.

Zudem sei das Ziel von Cassis’ Ausflug nach Brüssel auch der Besuch der Schweizer Botschaft und dessen neuer Führung gewesen: Gemeinsam habe man versucht herausfinden, wie man den angestrebten politischen Dialog mit der EU ausgestalten könnte.

Viele Gespräche, aber wenig Handfestes: Ausser Spesen nichts gewesen also? Klar ist: Um das Verhältnis mit der EU zu reparieren, werden bei den nächsten Treffen ein paar nette Worte des Schweizer Aussenministers nicht ausreichen – da müssen schon konkrete Lösungsvorschläge auf den Tisch.

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