Sicherheitsstudie der ETH Zürich zeigt
Schweizer sehen schwarz für die Welt – wegen Putin und Co.

Der Ukraine-Krieg lässt die Schweizer umdenken. Die Neutralität steht nicht mehr über allem und eine Annäherung an die Nato ist denkbar geworden. Gleichzeitig wächst die Skepsis an den Russland-Sanktionen. Das zeigt die neuste ETH-Sicherheitsstudie.
Publiziert: 26.03.2024 um 14:00 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2024 um 15:39 Uhr
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Der Angriffskrieg des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin in der Ukraine führte auch bei der Schweizer Bevölkerung zu einem Stimmungswechsel.
Foto: keystone-sda.ch
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Der Ukraine-Krieg hat eine Zeitenwende ausgelöst. Der Gaza-Krieg sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Bisherige Gewissheiten sind ins Wanken geraten. Auch in der Schweiz. Das zeigt sich exemplarisch an der mythenbeladenen Neutralität. Während die SVP diese in der Verfassung verankern will, glauben immer weniger, dass sie uns vor internationalen Konflikten schützt.

Zu diesem Fazit kommt die Studie «Sicherheit 2024» der Militärakademie und dem Center for Security Studies der ETH Zürich, die am Dienstag vorgestellt wurde. Die Bevölkerungsumfrage weist auch auf andere interessante Entwicklungen hin. Blick stellt die wichtigsten vor.

Allgemeines Sicherheitsempfinden

Der Unterschied könnte kaum grösser sein: Für die Welt sehen Herr und Frau Schweizer schwarz. Nur gerade 18 Prozent sehen die Zukunft der weltpolitischen Lage optimistisch – nochmals 6 Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr, was der tiefste Wert ist seit Messbeginn 2015.

Anders bei der Zukunft der Schweiz: 79 Prozent schätzen sie als optimistisch ein. Das sind zwar weniger als vor dem Ukraine-Krieg, der Wert aber bleibt hoch. Noch höher ist das allgemeine Sicherheitsempfinden. Trotz anhaltendem Krieg fühlen sich bei uns satte 92 Prozent (-2 Prozentpunkte) sicher. Die Schweiz, eine Insel der Glückseligen in einer düsteren Welt.

Vertrauen in Institutionen

Kurz und knapp: Die Bevölkerung vertraut den Institutionen wie Politik, Wirtschaft, Polizei oder Wissenschaft, im Durchschnitt mit einem Wert von 6,8 auf einer Skala von 1 bis 10. Dem Bundesrat wird mit 7,1 sogar noch etwas mehr vertraut. Das zeigte sich gerade während der Covid-Krise. Die damaligen Werte kann die Regierung allerdings nicht mehr ganz erreichen, vor allem nicht bei Personen aus dem politisch rechten Lager.

Neutralität

Die Neutralität ist tief in der Schweizer DNA verankert. Nach wie vor stehen 91 Prozent dahinter. Und doch: Das sind satte 6 Prozentpunkte weniger als noch vor dem Ukraine-Krieg. Und es wollen sich auch immer weniger alleine auf die Neutralität verlassen. 49 Prozent (-3 Prozentpunkte) glauben, dass die bewaffnete Neutralität nicht mehr glaubhaft militärisch zu schützen ist. Kompliziert wird es auch, sobald es konkret wird. Das zeigt sich bei der sogenannten «differenziellen» Neutralität, heisst: bei politischen Konflikten klar Stellung beziehen, bei militärischen Konflikten aber neutral bleiben. Diese Haltung ist höchst umstritten und wird nur noch von der Hälfte der Bevölkerung (51 Prozent; -6 Prozentpunkte) unterstützt.

Russland-Sanktionen

Parallel dazu wächst auch die Skepsis gegenüber den Russland-Sanktionen. Auch wenn noch immer 69 Prozent (-6 Prozentpunkte) von der Richtigkeit überzeugt sind und 64 Prozent (-6 Prozentpunkte) finden, sie seien mit der Neutralität vereinbar, zeigt sich eine zunehmende Kritik. Mittlerweile sind auch 41 Prozent (+7 Prozentpunkte) der Ansicht, dass die Schweiz ihre «Guten Dienste» wegen der Sanktionen nicht mehr anbieten kann. Interessant: Tessiner stehen den Sanktionen klar skeptischer gegenüber als West- und vor allem Deutschschweizer.

Annäherung an Nato

Der Glaube an den Schutz der Neutralität schwindet. Heute ist eine knappe Mehrheit von 52 Prozent für eine Annäherung an die Nato, 7 Prozentpunkte mehr als noch vor dem Ukraine-Krieg. Knapp zwei Drittel (62 Prozent) befürworten denn auch die von Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) angestrebte Teilnahme am europäischen Luftverteidigungssystem «Sky Shield». Ein Nato-Beitritt hingegen würde nur von 30 Prozent unterstützt.

Armee

Der Ukraine-Krieg bringt auch der Schweizer Armee Rückenwind. So fordert eine grosse Mehrheit eine «sehr gut ausgebildete» (92 Prozent) als auch eine «vollständig ausgerüstete» Armee (79 Prozent). Auch die Wehrpflicht wird so deutlich unterstützt wie seit langem nicht mehr.

Der Haken an der Sache: Mehr Geld, wofür Armeechef Thomas Süssli (57) seit Monaten weibelt, soll es deswegen nicht geben. Zwar stuft jede fünfte Person (20 Prozent, +6 Prozentpunkte) die Armeeausgaben als zu gering ein. Das entspricht dem höchsten Wert seit Messbeginn im Jahr 1986! Nur eben: Es bleibt eine Minderheit. Eine relative Mehrheit von 45 Prozent empfindet die Verteidigungsausgaben als gerade richtig.

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