Divisionär Guy Vallat (56) hat heute seinen letzten Arbeitstag. Der Schweizer Verteidigungsattaché in Paris nimmt an der Zeremonie zum französischen Nationalfeiertag teil. Danach muss er die Stadt der Liebe verlassen, denn Vallat ist durch die Personensicherheitsprüfung gefallen.
Kürzlich musste auch Divisionär Mathias Tüscher (57) Knall auf Fall seinen Schreibtisch räumen, auch ihm wurde die Inquisition der Bundeskanzlei zum Verhängnis. Alle fünf Jahre müssen sich die vom Bundesrat ernannten Personen einer Personensicherheitsprüfung (PSP) unterziehen. Die Bundeskanzlei wirft Tüscher «Mangel an Integrität» sowie «Anfälligkeit für Erpressung» vor und hält ihn für ein Sicherheitsrisiko.
«Wie bei einem Polizeiverhör»
«Ich fühlte mich wie bei einem Polizeiverhör», erinnert sich ein Schweizer Spitzenbeamter an seine letzte PSP. «Es gab eine kühle Begrüssung, ein Glas Wasser – und dann begann das Kreuzverhör. Zwei bünzlige Beamte wollten alles von mir wissen. Wirklich alles.»
Angehende Botschafter, hochrangige Militärs und selbst der BAV-Direktor müssen sich Fragen gefallen lassen wie: «Haben Sie eine Geliebte? Weiss Ihre Ehefrau davon? Sind Sie wegen Ihrer Geliebten erpressbar? Schauen Sie Pornos? Haben Sie Sex mit Prostitutierten?» Dann gibts noch die Frage: «Wissen Sie, was illegal ist?» Die Beamten wollen demnach wissen, ob die Bewerber auf verbotenen Sex oder illegale Pornos mit Minderjährigen oder Tieren stehen. Eine Beamtin wurde gefragt: «Mögen Sie es gerne von hinten?»
Die Bundeskanzlei ist intransparent
Was die Bundeskanzlei mit den Intim-Fragen bezweckt, will sie nicht verraten: «Fragen zum Inhalt der Personensicherheitsprüfungen können wir nicht beantworten, weil die Prüfergebnisse beeinträchtigt werden könnten, wenn dieser öffentlich bekannt wäre.»
Eine ambivalente Rolle bei der PSP spielt der ehemalige Bundeskanzler Walter Thurnherr (61). Laut «NZZ» kritisierte Thurnherr in seiner Zeit als Generalsekretär des Uvek die PSP als unverhältnismässig. Hemmungslos würden Fragen zu «Details über Beziehungen oder zum Sexualleben» gestellt, das sei «mit dem Zweck der Prüfung in keiner Weise zu legitimieren», kritisierte Thurnherr damals.
Thurnherr verhindert – und schweigt
Doch als Bundeskanzler unternahm Thurnherr wenig, um die voyeuristischen Inquisitoren zu zähmen. Mehr noch: Thurnherr verhinderte, dass der Fragenkatalog publik wurde. Blick hatte letztes Jahr ein Gesuch gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz gestellt. Eine Schlichtung scheiterte, Thurnherrs Nachfolger Viktor Rossi (55) widersetzte sich sogar der Empfehlung des Öffentlichkeitsbeauftragten, einen Teil des Fragenkatalogs herauszurücken.
Heute will sich Thurnherr nicht zu seinem Verhalten äussern. Auch die Bundeskanzlei lässt kritische Fragen unbeantwortet. Etwa die Frage, warum Länder wie Dänemark, Deutschland und selbst die Grossmacht USA ihre Botschafter nicht zu Sex-Details fragen – aber die Schweiz hierzu alles wissen will. Oder die Frage, warum sich die Bundeskanzlei beim Erstellen des Fragenkatalogs von einer unbedeutenden Fachhochschule in Deutschland beraten lässt. Oder welche Expertise die Leiterin der PSP mitbringt. Sie hat internationale Beziehungen studiert und war vor ihrem jetzigen Job beim Staatssekretariat für Migration (SEM) tätig.