Auf einen Blick
- Bundesrat will Eizellenspende legalisieren
- Aline K. reiste für den Eingriff ins Ausland
- Rund 500 Schweizerinnen reisen jährlich für Eizellenspende ins Ausland
Aline K.* ging durch die Stadt und sah nur noch schwangere Frauen. «Ich musste manchmal die Strassenseite wechseln, wenn mir eine Frau mit Baby entgegenkam», erinnert sie sich. «Ich konnte sie nicht mehr sehen, es hat mich fast zerrissen.»
Der Wunsch nach einem eigenen Kind und einer Familie hat sie eingenommen. Jahrelang hatte sie täglich Weinkrämpfe, weil es mit der Schwangerschaft nicht geklappt hat. Die schlimmste Zeit sei immer die Weihnachtszeit gewesen. «Wieder ein Fest ohne Schwangerschaft. Wieder eine Fehlgeburt hinter mir. Das stellt dich vor den Abgrund.»
Sie selbst wäre eigentlich fruchtbar gewesen, ihr damaliger Partner aber nicht. Sie hätten alles probiert – von Sameninjektion bis zur Embryonenspende. Ohne Erfolg. Irgendwann zwischen den Besuchen bei Kinderwunschkliniken, Spitälern und Gynäkologen wurde K. selbst zu alt, um eigene Kinder zu kriegen. «Ich wollte den Kinderwunsch ablegen. Aber es ging nicht. Ohne eigene Familie sah ich keine Freude mehr im Leben.»
Schliesslich ging das Paar für eine künstliche Befruchtung mit Eizellenspende ins Ausland. Im Unterschied zur Schweiz ist sie in fast allen EU-Ländern erlaubt. K. liess sich in Portugal die Eizelle einer fremden Frau und die Spermien eines fremden Mannes einsetzen. Sie wurde schwanger. Am Anfang wagte sie kaum, sich zu freuen – die Angst vor einer erneuten Fehlgeburt war zu gross. Doch dann kam die kleine Anna zur Welt. Heute liegt sie im Kinderwagen und strahlt ihre Mutter an. «Manchmal habe ich das Gefühl, ich platze vor Glück.»
Das Geschäft mit der Hoffnung
Solche Spenden sollen künftig auch in der Schweiz möglich werden. Der Bundesrat hat vergangene Woche entschieden, das entsprechende Gesetz zu überarbeiten. Bis es in Kraft ist, dürfte es noch lange dauern. Auch ein Referendum ist möglich: Kritische Stimmen kommen aus dem konservativen und dem feministischen Lager.
Doch die Eizellenspende ist hierzulande längst Realität. Rund 500 Schweizerinnen reisen jährlich für eine Eizellenspende ins Ausland. Die Dunkelziffer dürfte allerdings weit höher sein. Ein absurder Reproduktionstourismus hat sich entwickelt: In der Schweiz gibt es Rundum-Angebote samt Übersetzer, Transport und Übernachtungen – die Vor- und Nachbehandlung einer Spende ist nämlich erlaubt. Und ausländische Kliniken werben mit deutschsprachigen Websites um Kundinnen.
«Für die Behandlungen haben wir weit über 100’000 Franken ausgegeben», sagt K. «Diese Kliniken sahnen ab, auf Kosten von Frauen, die bereit sind, alles zu machen, um ein Kind zu kriegen.» Und finanzielle Unterstützung gibt es keine: «Du zahlst dein Leben lang in die Krankenkasse ein, dann hast du einmal wirklich etwas Schlimmes. Und du wirst einfach alleingelassen.»
Die Not der Spenderinnen
Auf der anderen Seite der Spende stehen Frauen, die ihre Eizellen für andere Frauen zur Verfügung stellen. «Ihre Perspektive wird oft übersehen», sagt Sozialanthropologin Laura Perler (38). Sie hat am geografischen Institut der Universität Bern zum Thema geforscht. Die Spenderinnen seien jung – sie würden entweder ein-, zweimal spenden, um finanzielle Schwierigkeiten zu überbrücken. Oder sie kämen immer wieder in die Klinik, die Spenden würden zu einem Einkommen.
So war es bei der Spanierin Elia Muñoz Rubiano (35). «Ich habe zum ersten Mal Eizellen gespendet, als ich 21 Jahre alt war», sagt sie. Alle drei Monate habe sie gespendet, jedes Mal hat sie damit 900 Euro verdient. «Als ich das erste Mal in die Klinik kam, hatte ich das Gefühl, dass man uns wie Vieh behandelt.» Aber ihr Teilzeitjob habe nicht gereicht, um über die Runden zu kommen: «Ich brauchte das Geld, um meine Wohnung und mein Studium zu finanzieren.» Heute findet sie, die Spende solle nur erlaubt sein, wenn es dafür kein Geld gibt. «Sonst sind es letztlich benachteiligte Frauen, die Eizellen spenden.»
Spenden ohne Geld?
Heute hat die Schweiz also keine Kontrolle, unter welchen Bedingungen die Eingriffe im Ausland stattfinden. Brigitte Leeners, Direktorin der Reproduktionsklinik des Universitätsspitals Zürich, findet den Entscheid des Bundesrats wichtig. Mit einer Legalisierung könne man gewisse Standards sicherstellen. Und medizinisch sei der Eingriff sicher – wenn die Vorbereitung stimme. Spenderinnen müssten richtig über die Langzeitfolgen eines Eingriffs aufgeklärt werden.
Der Bundesrat will die Spenden voraussichtlich nur auf einer altruistischen Basis erlauben – es soll kein Geld fliessen, damit Frauen eben nicht aus finanzieller Not spenden. Laura Perler bezweifelt, dass so genug Frauen bereit wären, ihre Eizellen zu spenden. Der Reproduktionstourismus würde bestehen bleiben, befürchtet sie: «Entweder werden Eizellen aus Ländern wie Spanien in die Schweiz importiert. Oder Schweizerinnen reisen weiterhin ins Ausland und führen den Eingriff dort durch.»
Auch Leeners findet: «Wir brauchen ein Modell, mit dem man genügend Schweizer Spenderinnen für den Bedarf findet.» Ihr Vorschlag: Es gibt immer wieder Frauen, die ihre eigenen eingefrorenen Eizellen nicht benötigten. Auf Wunsch könnten diese von den Frauen gespendet werden.
Offene Fragen
Viele heikle Fragen bleiben also noch offen. Aline K. hofft einzig, dass die offene Eizellenspende in der Schweiz möglich schnell umgesetzt wird. «Man könnte damit so viel Leid ersparen.»
Als K. endlich mit Anna schwanger war, dachte sie immer an die anderen Menschen, die durch die Stadt laufen und nur schwangere Frauen sehen. «Einmal hat eine Frau meinen Bauch angeschaut und angefangen zu weinen. Ich wäre am liebsten hinterhergerannt und hätte sie umarmt.»
* Name geändert