Schweizer Netz vom Ausland abkoppeln
Experte fordert Strom-Réduit

Droht ein Blackout im europäischen Stromnetz, soll sich die Schweiz vom EU-Netz abkoppeln, fordert Paul Niggli. Die Idee des Ex-Swissgrid-Managers ist nicht neu – aber auch nicht so einfach umsetzbar.
Publiziert: 21.10.2022 um 17:13 Uhr
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Droht ein EU-Blackout, soll die Schweiz ihr Stromnetz vom Ausland abkoppeln.
Foto: TOTO MARTI

Droht uns im Winter der Blackout, weil Frankreich seine AKWs nicht ans Netz kriegt und Deutschland nicht genug Gas hat, um Strom zu liefern? Nicht unbedingt, meint Paul Niggli (65), Ex-Manager der Schweizer Netzbetreibergesellschaft Swissgrid.

Die Schweiz soll sich im Notfall vom europäischen Stromnetz abkoppeln, sagt er gegenüber der NZZ. Niggli hat Erfahrung mit dem Schweizer Stromnetz. Er war 13 Jahre bei Swissgrid, wo er das Krisenmanagement leitete. Bei der wirtschaftlichen Landesversorgung führte er den Bereich Elektrizität.

Schweiz könnte sich mit Strom versorgen

Die nationalen Stromnetze sind europaweit miteinander verbunden. Auch jenes der Schweiz. So kann Strom, der im Land fehlt, zugekauft und zu viel produzierter Strom im Ausland verkauft werden. Doch bricht das Netz irgendwo zusammen, hat das katastrophale Auswirkungen. Gehen beispielsweise in Frankreich die Lichter aus, weil die Atomkraftwerke ausfallen, dann trifft die umliegenden Länder das gleiche Schicksal.

Niggli ist überzeugt: Die Schweiz könnte ohne Strom aus dem benachbarten Land auskommen. Zumindest für eine begrenzte Zeit – im Sommer mehrere Monate, im Winter und im Frühling ein paar Wochen. Mit den grossen Speicherkraftwerken könne die Schweiz jederzeit ihren Eigenverbrauch decken, begründet der Ingenieur. Und dank der Pumpspeicherkraftwerke könne die Schweiz auch Netzschwankungen selber ausgleichen.

Abkopplung teuer und aufwendig

Doch eine Abkopplung vom Ausland ist unrealistisch. Denn dafür hat die Schweiz gar keine Infrastruktur, wie die «NZZ» ausführt. Im Notfall müssten nämlich alle über die Grenze führenden Leitungen kurzfristig abgeschaltet werden können. Das Aufbauen der nötigen Transformatoren würde nicht nur mehrere Jahre dauern, es würde auch einen Haufen Geld kosten. Swissgrid schätzt die Kosten auf eine Milliarde Franken.

Aussenpolitisch wäre die Einführung eines solchen Strom-Réduits ebenfalls ein Eigentor. Man müsste mit Gegenmassnahmen rechnen. Auch, weil wichtige Transitleitungen durch die Schweiz verlaufen und so gekappt werden könnten.

Versorgungssicherheit in Gefahr

Nigglis Forderung ist nicht neu. Im Frühling scheiterte ein Vorstoss von SVP-Nationalrat Christian Imark (40). Er forderte, die Einführung solcher Transformatoren zu prüfen. In der Herbstsession wollte Nationalrat Piero Marchesi (41, SVP) auf Nigglis Anregung vom Bundesrat wissen, ob ein Inselbetrieb im Winter möglich wäre. Die Antwort ist noch ausstehend.

Nigglis Argumenten können Bund und Swissgrid nichts abgewinnen. «Ein Inselbetrieb der Schweiz würde den sicheren Netzbetrieb sowie die Versorgungssicherheit gefährden», sagt Swissgrid-Sprecherin Stephanie Bos der «NZZ». Marianne Zünd, Sprecherin des Bundesamtes für Energie, kommt zu ähnlichen Schlüssen: Die Abkopplung wäre eine «sehr unkluge Lösung».

Es ist nicht das erste Mal, dass Niggli unkonventionelle Vorschläge macht. Erst kürzlich machte er von sich reden, weil er Bitcoin verbieten wollte. Deren Bewirtschaftung verbraucht nämlich sehr viel Strom. (tom)

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