Simonetta Sommaruga spricht über die drohende Energiekrise
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Energieministerin im Interview:Simonetta Sommaruga spricht über die drohende Energiekrise

Energieministerin Simonetta Sommaruga überlegt, bei Krisengewinnern Geld abzuschöpfen
«Die Krise ist nach dem Winter nicht vorbei»

Die Energieministerin ist zuversichtlich für den Winter – aber sie hat Erwartungen an die Stromkonzerne.
Publiziert: 02.09.2022 um 00:29 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2022 um 08:41 Uhr
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Simonetta Sommaruga beim Gespräch mit Christian Dorer.
Foto: Thomas Meier
Aufgezeichnet: Pascal Tischhauser und Ruedi Studer

Weniger heizen, das Licht löschen, duschen statt baden. Der Bundesrat appelliert an die Bevölkerung, Energie zu sparen. Im Moment noch freiwillig. Kommen wir so durch den Winter – und was, wenn nicht? Dazu befragte Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe, SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) auf Blick TV. Einen Tag nach dem Start der Energiespar-Kampagne trifft sich Dorer für die Sendung «Hier fragt der Chef» im Bundeshaus mit der Energieministerin.

Blick: Frau Bundesrätin, mit dem Deckel auf der Pfanne kochen und den Geschirrspüler ganz füllen, das empfehlen Sie der Nation. Wieso Spartipps und kein Verbot?
Simonetta Sommaruga: Ich glaube, für die Bevölkerung ist klar. Wir sind in einer schwierigen Situation. Wir haben einen Krieg in Europa und Putin, der den Gashahn zudreht. Der Bundesrat hat in den letzten Monaten viel gemacht, um ein Polster zu schaffen, damit wir möglichst gut durch den Winter kommen. Und mit der Sparkampagne sagen wir: Auch die Bevölkerung kann mithelfen.

Wieviel liegt denn da drin?
Wenn man 1 Grad weniger heizt, kann man 5 bis 6 Prozent Energie sparen. Das ist eine recht grosse Menge. Oder wenn man den Wasserkocher statt einer Pfanne benutzt, spart man 50 Prozent Strom. Und wenn man Umluft braucht zum Backen, statt Ober- und Unterhitze, spart man ebenfalls. Es sind viele kleine Dinge, die wir eigentlich kennen. Aber es ist gut, diese jetzt wieder in Erinnerung zu rufen.

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In anderen Ländern hat man gesehen, dass man so zwischen 5 und 15 Prozent oder sogar noch etwas darüber einsparen kann. Was erwarten Sie in der Schweiz?
Ich bin sehr zuversichtlich. Wir haben Reserven geschaffen für den nächsten Winter. Jetzt haben wir ein Polster, damit es möglichst gut kommt. Und wenn jetzt alle das Licht löschen, wenn sie nicht in einem Raum sind, den Compi abstellen, wenn sie ihn nicht brauchen, hilft das auch. Das ist ja alles keine Komforteinbusse, sondern das Natürlichste der Welt.

Der Bundesrat hat eine Verordnung für einen Gasmangel in Konsultation gegeben. Im Extremfall dürfte man seine Wohnung mit Gas nur noch auf 19 Grad erwärmen. Kann man dann aber mit einem Elektroöfeli oder einem Holzofen sein Heim trotzdem auf 23 Grad heizen?
Wie Sie sagen, sind am Mittwoch die Vorschläge zum Gas in Konsultation gegeben worden. Fragen wie die Ihre sollen nun besprochen werden.

Was die Bevölkerung nun spürt, sind die steigen Preise. Und hier gibt es ein Beispiel aus Oberlunkhofen im Aargau, wo die Kosten explodieren. Die «Aargauer Zeitung» rechnet vor, dass die Kosten von 800 Franken für einen Haushalt auf 2900 Franken pro Jahr steigen. Was sagen Sie den Leuten, die das zahlen müssen?
Diese Situation zeigt, diese Krise hat Verlierer und Gewinner. Das müssen wir beides anschauen. Wer gewinnt hier wirklich und macht grosse Geschäfte ...

... von denen die Verlierer nichts haben.
Härtefälle muss man anschauen. Man muss sich bewusst sein: Die Versorgungsunternehmen gehören einer Gemeinde, einer Stadt oder einem Kanton. Da sind sie natürlich auch in der Verantwortung.

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Im Moment sagt der Bundesrat, die Preisaufschläge seien verkraftbar. Wann kommt der Moment, zu dem man diese unterstützen muss?
Das Wirtschaftsdepartement steht in permanentem Kontakt mit der Wirtschaft. Wenn dort wirklich Situationen entstehen, bei denen man reagieren muss, gehe ich davon aus, dass dies geschieht. Nochmals: Den Gemeinden und Kantonen gehören die Werke ja. Einige Unternehmen werden vielleicht plötzlich Milliardengewinne machen. Man muss sich fragen, was man mit den Übergewinnen macht.

Sie meinen, dass man diese abschöpfen soll?
Man kann das nicht einfach hinüberschöpfen. Aber ich bin hier schon der Meinung, dass wir nicht wegschauen können.

Es reden alle über diesen Winter, doch es kommen weitere Winter. Jetzt sind noch Gasreserven vorhanden. Aber was sind die langfristigen Lösungen?
Ich bin froh, dass Sie das fragen. Wir sind sehr fokussiert auf den nächsten Winter. Aber die Krise ist danach nicht vorbei. Deshalb wollen wir von dieser massiven Importabhängigkeit von Öl und Gas wegkommen. Das heisst, wir brauchen mehr einheimischen Strom.

Das geht Jahre!
Das geht nicht Jahre! Die Bevölkerung hat in den letzten vier Jahren jedes Jahr bei der Solarenergie den Rekord erneut gebrochen. Wir haben die Warteliste bei der Fotovoltaik abgebaut. Wir haben dafür gesorgt, dass es auf Flachdächern für Solar keine Bewilligung mehr braucht und dass man an den Autobahnen die Lärmschutzwände gratis nutzen kann.

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Energieministerin Sommaruga:«Die Krise ist nach dem Winter nicht vorbei»

Und was ist mit Atomkraftwerken? Müssen die nicht länger laufen können?
In Deutschland hat man entschieden, dass AKW dann und dann abgestellt werden. Zack. Bei uns hat man eine ganz andere Strategie. AKW können laufen, solange sie sicher sind. Es will ja niemand ein unsicheres AKW länger laufen lassen. Das wird jedes Jahr von einer unabhängigen Behörde überprüft. Die schaut, ob investiert und etwas für die Sicherheit gemacht werden muss. Die können 50 Jahre oder allenfalls 60 Jahre laufen. Wir haben kein Datum, wann unsere AKW abgeschaltet werden müssen. Das war clever. Das heisst, wir bauen jetzt die einheimische erneuerbare Energie aus. Da können wir schnell vorwärts machen, wenn alle mithelfen.

Trotzdem müssen die AKW noch ein bisschen länger laufen.
Es pressiert mit dem Ausbau! Das ist schon ein Appell an alle. Man kann jetzt nicht jedes Mal sagen «Aber nicht so und nicht hier».

Wie heizen Sie zu Hause?
Ich bin immer noch an der Gasheizung angeschlossen, würde aber gerne an einem Fernwärmenetz hängen. Die ganze Nachbarschaft setzt sich für Fernwärme ein. Die Stadt Bern hat uns gesagt, dass sie nun wirklich vorwärtsmachen will, damit wir die Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlagen nutzen können. Zudem habe ich ein paar Solarpanels auf dem Dach. Es ist schön: Jedes Mal, wenn die Sonne scheint, sehe ich, wie der Strom ohne mein Zutun einfach produziert wird – erst noch gratis.

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