Schweinebauern sind enttäuscht
Migros baut beim Tierwohl ab

Von wegen Fortschritt beim Tierwohl: Die Migros will künftig weniger tierfreundlicheres Schweinefleisch kaufen. Schweinehalter kritisieren, dass sie die Konsequenzen tragen müssen.
Publiziert: 30.01.2024 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 31.01.2024 um 08:51 Uhr
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Die Migros will dieses Jahr weniger Schweine beziehen, die nach den Standards von IP-Suisse gemästet wurden.
Foto: imago/Rainer Weisflog
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Schweinehalter haben vergangene Woche dicke Post von der Migros erhalten. «Notwendige Anpassung für 2024», so die Überschrift des Briefs. Darin verkündet die Detailhändlerin, dass sie in diesem Jahr zehn Prozent weniger Schweine, die nach den IP-Suisse Standards gehalten werden, kaufen will.

Die Nachricht sei überraschend gekommen, sagt Raphael Helfenstein von Suisseporcs, dem Verband der Schweizerischen Schweinezucht- und Schweineproduzenten. Und sie sorgt bei den Bauern für Ernüchterung. «Das ist ein schlechtes Signal fürs Tierwohl. Und für unsere Bäuerinnen und Bauern ein Rückschritt», so Helfenstein. Er betont aber auch, dass die Migros weiterhin Hauptabnehmerin von Label-Schweinen in der Schweiz bleibe.

Fleisch wird billiger verkauft

Schweinefleisch ist das beliebteste Fleisch in der Schweiz. 2,4 Millionen Schweine werden hierzulande pro Jahr geschlachtet, gut die Hälfte davon wird nach den Grundanforderungen von IP-Suisse gehalten. Das Label mit dem Marienkäfer im Logo schreibt vor, dass die Tiere Auslauf haben und im Stall nicht auf dem nackten Betonboden, sondern auf Stroh liegen.

Weil die Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten nach dem Label-Fleisch allerdings viel kleiner ist als das Angebot, wird ein beachtlicher Teil des Label-Fleisches gar nicht als solches verkauft. Bei jedem fünften Plätzli oder Kotelett, auf dem konventionell draufsteht, ist eigentlich Label-Fleisch drin.

«Wir investieren ins Tierwohl»

Für die Schweinehalter ist das ein Problem. Sie produzieren teurer, haben aber nichts davon. Obwohl das Tierwohl in der öffentlichen Wahrnehmung immer präsenter ist und wichtiger wird: Im Laden ist davon wenig zu spüren. Der Anteil von Label-Ware beim Schweinefleisch nimmt nicht zu, sondern ab.

«Wir Produzenten investieren ins Tierwohl», sagt Raphael Helfenstein von Suisseporcs. Der Detailhandel trage eine Mitverantwortung. «Er kann Tierwohl fördern und die Labelbestimmungen verursachergerecht entschädigen.»

Migros bestreitet Umverteilung

Die Migros begründet die Anpassung mit dem geänderten Essverhalten der Kundinnen und Kunden. Tatsächlich geht der Schweinefleisch-Konsum zurück – allerdings nur um gut ein Prozent pro Jahr.

Zudem schauen die Kunden laut der Migros heute stärker auf den Preis. «Da wir bei Schweinefleisch einen überdurchschnittlich hohen IP-Suisse-Anteil haben, sehen wir uns gezwungen, die Mengen dem konventionellen Schweinefleisch anzugleichen», teilt die Detailhändlerin auf Anfrage mit.

Die Schlachtzahl an konventionell gehaltenen Schweinen werde aber nicht erhöht. Man wolle auf keinen Fall, dass die Bauern wegen Überproduktion auf Schweinen sitzenbleiben, sagt Sprecher Marcel Schlatter. Zudem betont er, dass der Anteil IP-Suisse-Schweinefleisch in den vergangenen Jahren stark gewachsen sei.

Bund spart beim Tierwohl

Der Verein Faire Märkte Schweiz wirft der Detailhändlerin vor, auf Kosten von Bauern und Tierwohl sparen zu wollen. Der Verein war es, der mit einer Medienmitteilung auf die Ankündigung der Migros aufmerksam gemacht hat. Die 10 Prozent, die die Migros weniger beziehen will, entsprächen rund 40'000 Schweinen.

Das ist zwar nur ein verschwindend kleiner Teil der Gesamtzahl der jedes Jahr geschlachteten Schweine. Doch für die betroffenen Schweinebauern sei es trotzdem eine Hiobsbotschaft, so Helfenstein. Eine weitere. Denn vor drei Jahren hatte Coop die Prämie, die Bauern pro IP-Suisse-Schwein erhalten, erheblich gesenkt. Zudem spart auch der Bund beim Tierwohl: Die Beiträge für tierfreundliche Ställe wurden auf Anfang Jahr um 15 bis 20 Prozent gekürzt.

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