Herr Gloor, das Onlinemagazin «Republik» berichtet von einem Geheimvertrag zwischen Bührle-Stiftung und Kunsthaus-Trägerschaft, gemäss dem ein belastetes Werk sowieso nie zurückgegeben werden müsse. Ist also die ganze Provenienzforschung sowieso eine Farce?
Lukas Gloor: Das ist schlicht wahrheitswidrig.
Dem Journalist liegt ein Brief der Stadt Zürich vor.
Darin teilt die Stadt mit, dass sie für entsprechende Entscheide nicht zuständig sei. Das hat nichts mit einem geheimen Deal zu tun. Aber der Autor des Artikels hat instinktiv gespürt, dass bei dem Fall der Schlüssel zum Ganzen liegt. Denn die Debatte dreht sich um ein Gemälde …
Claude Monets «Mohnblumenfeld bei Vétheuil».
Bereits 2012 war das in den Schlagzeilen. Damals kamen die Nachfahren des ehemaligen Besitzers Max Emden zu uns und behaupteten, dass ihr Vater Hans Erich Emden das Werk 1940 von seinem Vater Max geerbt habe und danach zu einem Schleuderpreis an Emil Bührle verkaufen musste, um seine Flucht nach Südamerika zu finanzieren. Wir konnten mit Vermögensdeklarationen von 1940 bis 1944 akribisch belegen, dass Hans Erich Emden das Gemälde nicht in Not und Pein veräusserte, sondern im Rahmen einer geordneten Emigration. Er hatte ein halbes Jahr Zeit, um sein Erbe und seine Überfahrt zu regeln. Seither haben wir nichts mehr gehört.
Ehemalige Mitglieder der Bergier-Kommission werfen der Bührle-Stiftung vor, sie belogen zu haben: Die Stiftung habe 2001 behauptet, das Archiv sei verschollen. Später tauchte es dann wieder auf.
Das betraf Stiftungsratspräsidentin Hortense Anda-Bührle. Dass sie gegenüber Georg Kreis und Esther Tisa Francini ihre subjektive Wahrheit sagte, kann ich unter Eid sagen. Circa 1964 hatte Frau Anda das letzte Mal das Archiv gesehen. Als sie dann erfuhr, dass das Archiv noch da ist, hat sie sich ehrlich gefreut. Wir haben Dokumente daraus schon 2010 im Kunsthaus gezeigt. Die Bergier-Kommission hat das damals festgestellt, und ich kann nicht verstehen, warum sie sich jetzt erneut empört. Historiker sollten es doch begrüssen, wenn Archive geborgen und erschlossen werden.
Stehen Sie mit Stadt und Kanton in Kontakt, seit diese eine externe Überprüfung wollen?
Wir haben um ein Gespräch bei Stadtpräsidentin Mauch ersucht. Da wurde ein Entscheid getroffen, ohne vorher mit uns zu reden. Das ist doch etwas merkwürdig.
Was erwarten Sie von einer externen Evaluation?
Materiell nichts Neues. Die Auseinandersetzung wird sich aber auf die Frage verschieben, wer die Evaluation vornimmt. Aus Deutschland kommt wachsender Druck, die Schweiz nicht länger als Sonderfall zu behandeln, sondern davon auszugehen, dass Emigranten im Krieg auch hier unter NS-Verfolgungsdruck standen.
Die Situation ist verkachelt. Wie wollen Sie da wieder raus?
Unsere Stiftung hat sicher nicht zum Ziel, zur Dauerbelastung für das Kunsthaus und für Zürich zu werden. Wir stehen für vernünftige Vorschläge zur Verfügung. Derzeit werden neben jedem Bild QR-Codes angebracht, die direkt zu unserer Provenienzforschung führen, eine prima Form, Transparenz zu schaffen. Es darf aber nicht sein, dass die Sammlung zu einer Gedenkstätte für NS-Verfolgung wird, das wird den Bildern nicht gerecht.
Sie hören Ende Jahr als Stiftungsdirektor auf. Warum?
Meine Aufgabe ist abgeschlossen. Die Bilder sind im Kunsthaus. Ich werde der Stiftung weiterhin beratend zur Seite stehen, in einer Form, die noch bestimmt werden muss. Die ursprüngliche Idee war, dass das Kunsthaus unsere Provenienzforschung übernimmt. Nun ist durch den Übergriff der Stadt auf die Autonomie des Kunsthauses eine neue Situation entstanden. Wenn jetzt die Stadt Zürich dem Kunsthaus diktiert, wie die Sammlung Emil Bührle dem Publikum zu erklären ist, können wir nicht mehr mitmachen.