«Wir dürfen keine Insel für Raubkunst mehr sein»
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Kunstexperte Patrick Frey:«Wir dürfen keine Insel für Raubkunst mehr sein»

Kunstexperte Patrick Frey fordert Aufklärung von Bührle-Sammlung
«Wir dürfen keine Insel für Raubkunst mehr sein»

Der Zürcher Satiriker und Kunstexperte Patrick Frey fordert zusammen mit anderen Schweizer Kulturschaffenden, dass man die Herkunft der Kunstwerke in der Bührle-Sammlung im Kunsthaus Zürich neu und unabhängig untersucht.
Publiziert: 14.11.2021 um 13:28 Uhr
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Der Zürcher Satiriker und Kunstexperte Patrick Frey fordert zusammen mit anderen Schweizer Kulturschaffenden, dass die Herkunft der Kunstwerke in der Bührle-Sammlung im Kunsthaus Zürich neu und unabhängig untersucht wird.
Foto: zVg
Patricia Broder

«Keine Flucht- und Raubkunst in staatlichen Institutionen», das fordert neu eine Reihe von Persönlichkeiten aus der Schweizer Kunst- und Kulturszene, die sich in die hitzige Debatte rund um die Kunstsammlung des Schweizer Waffenhändlers Emil G. Bührle (1890–1956) eingeschaltet haben. Neben Gina Fischli (32), Tochter des berühmten Schweizer Künstlers Peter Fischli (69), gehört auch der Zürcher Satiriker und Kunstexperte Patrick Frey (72) zu ihnen. «Alle unsere Nachbarländer, die von dieser Problematik betroffen sind, haben unabhängige Kommissionen einberufen – nur die Schweiz hat das nicht. Das geht nicht mehr», ärgert sich Frey. «Wir dürfen keine Insel für Raub- und Fluchtkunst mehr sein.»

Bei der Sammlung E. G. Bührle handelt es sich um eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen der Welt. Seit Oktober 2021 sind rund 170 Werke davon im vom Star-Architekten David Chipperfield (67) entworfenen Nebengebäude des Kunsthauses Zürich zu sehen. Darunter Meisterwerke von Monet, Cézanne, Gauguin, Rembrandt, van Gogh und Degas. Doch die berühmten Gemälde sind von einer dunklen Vergangenheit überschattet: Der Grossindustrielle Bührle, ein gebürtiger Deutscher, baute sein Vermögen zum grossen Teil durch Waffenverkäufe an die Nazis und das faschistische Italien auf. Und profitierte zugleich via günstige Kunstkäufe vom Leid der Opfer. Etliche seiner Kunstwerke stehen unter Verdacht, Raub- oder Fluchtkunst zu sein.

«Kanton und Stadt haben versucht, die Sammlung reinzuwaschen»

«Die Kritik an der Bührle-Sammlung ist nicht neu», erklärt Patrick Frey. «Doch durch die Eröffnung des Neubaus kam nun ans Tageslicht, was 20 Jahre vorbereitet wurde: nämlich, dass die Kunsthausleitung die Bührle-Sammlung als Juwel ihres Neubaus präsentiert, ohne dass vorher eine saubere Aufklärung der Herkunft dieser Werke gemacht wurde.» Diese sei unvollständig erfolgt, so Frey weiter. «Lukas Gloor von der Bührle-Stiftung hat die Provenienzforschung im Alleingang betrieben, was für Stadt und Kanton als Legitimation offenbar ausreichte», so der Experte. «Und das ist die skandalöse Pointe der Geschichte: Die Stiftung, die Stadt Zürich und der Kanton haben versucht, die Sammlung reinzuwaschen. Aber es ist ein Fakt, dass auch in der Schweiz jüdische Besitzer ihre Kunst verfolgungsbedingt unter misslichen Umständen und unter ihrem Wert verkaufen mussten – auch an Bührle.»

Eine vollständige, nicht beschönigende Aufarbeitung seiner Kunstwerke sei nun unabdingbar, erklärt Frey. «Wir verlangen, dass jetzt die Provenienzforschung zu den Bildern durch eine unabhängige und neutrale Expertenkommission vorgenommen wird.» Dies sei auch im Interesse des Kunsthauses. «Der Ruf des Museums leidet bereits massiv unter den Negativschlagzeilen – sogar die ‹New York Times› berichtet über die Nazikunst in Zürich. Das Kunsthaus ist kontaminiert, der strahlend helle Marmor wirkt künstlich reingewaschen. Alle wissen, da ist etwas nicht sauber gelaufen.»

Kunsthaus weist Kritik zurück

Während Stadt und Kanton Zürich die Kritik begrüssen und weitere Forschungsarbeiten und eine externe Untersuchung zur Sammlung prüfen werden, ist man bei der Bührle-Stiftung der Meinung, dass man die Herkunft der Kunstwerke bereits korrekt aufgearbeitet habe. Beim Kunsthaus Zürich ist man über diese und andere Forderungen nicht erfreut und weist sie deutlich zurück.

Doch davon lässt sich Patrick Frey nicht entmutigen: «Durch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit muss sich jetzt endlich etwas ändern. Unsere Aktion ist der Hebel, der etwas bewegt.» Frey wünscht sich, dass noch mehr Künstlerinnen und Künstler ihre Forderung unterschreiben. Und ganz wichtig: «Die Kunst selber leidet – entgegen dem, was viele ihrer Gralshüter befürchten – in keinster Weise darunter, dass sie als Flucht- oder Raubkunst ausgewiesen wird», betont Frey. «Es wird dadurch lediglich ihre Geschichte auf korrekte und faire Weise erzählt.»

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