PR-Desaster um die Bührle-Sammlung
Hilflose Elite

Wie dieser Reputationsschaden rund ums Zürcher Kunsthaus entstehen konnte, bleibt eines der grossen Rätsel. Ob das Vertrauen je wieder zurückgewonnen werden kann, wird sich weisen.
Publiziert: 14.11.2021 um 13:29 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2021 um 16:14 Uhr
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Emil Bührle in seiner Sammlung, Zürich 1954.
Foto: KUNSTHAUS ZÜRICH/GETTY IMAGES
Reza Rafi

Das schmerzliche Drama rund um das Zürcher Kunsthaus gibt ein grosses Rätsel auf: Wie, um Himmels willen, war es möglich, dass all die involvierten Experten, Behörden und Politiker einen solchen Scherbenhaufen anrichten konnten?

Sind Leute vom Kaliber einer Corine Mauch, eines Walter Kielholz, eines Christoph Becker oder einer Jacqueline Fehr naive Hasardeure? Wohl kaum. Dass es sich bei Nazi-Raubkunst um ein hochtoxisches Thema handelt, das wissen diese erfahrenen Entscheider.

Offenbar liess man sich davon blenden, dass beim Abstimmungskampf über den Kunsthauskredit 2012 die Kritik an der Provenienzforschung der Bührle-Stiftung niemanden interessierte. Nur wenig mehr Aufmerksamkeit erregte 2015 das «Schwarzbuch Bührle».

Nun aber, mit Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus, wurden die Verantwortlichen von einer Welle der internationalen Entrüstung erfasst. Wo waren die Warnlichter?

Der Hinweis, wie ihn etwa der Direktor der Bührle-Stiftung Lukas Gloor immer wieder vorbringt, die Kritik sei überwiegend nicht neu, ist nutzlos, wenn gerade das eigene Image unter Beschuss steht. Und der Hakenschlag der Zürcher Stadtpräsidentin auf der Zielgeraden – plötzlich begrüsst sie eine externe Untersuchung, seit ehemalige Bergier-Kommissionsmitglieder sie verlangen – ist nur noch Schadensbegrenzung.

Solcher Aktivismus wirkt hilflos. Der teils polemische Streit um die Herkunft der Werke wird fortan am Chipperfieldbau haften bleiben.

Wie vergiftet die Stimmung ist, illustriert eine Episode um den Zürcher Historiker Jakob Tanner: Das Onlinemagazin «Republik» stellte die Integrität des Bergier-Mitglieds infrage. Anlass war ein Urteil Tanners über das Bührle-Gutachten des Geschichtsprofessors Matthieu Leimgruber. In den Augen seines ehemaligen Doktoranden Erich Keller, aktuell einer der schärfsten Bührle-Kritiker, ist Tanners Befund zu zahm.

Der marxistisch geprägte Tanner, der die Wahrheitsfindung in Fällen von NS-Raubkunst standortpolitischen Interessen unterordnet – was für ein kurioses Bild in dieser Debatte. Erst recht vor dem Hintergrund, dass sich Tanner ehrenamtlich für die Einrichtung sogenannter Stolpersteine in der Schweiz engagiert, kleiner Denkmäler, die an Opfer des Holocaust erinnern.

Zur allgemeinen Konfusion trägt die Sprache der Bührle-Stiftung bei. Direktor Gloor äussert die Sorge, die Sammlung könnte «zur Gedenkstätte für NS-Verfolgung» werden. Das Signal, das er mit einer solchen Wortwahl international aussendet, dürfte, gelinde gesagt, nicht zur Entspannung beitragen.

Der Eindruck drängt sich auf: Kunsthaus-Trägerschaft und Exekutive verliessen sich im Rausch der Begeisterung nur auf jene Informationen, die in ihren Plan passten. Und verloren alle möglichen Fallstricke aus den Augen.

Das verspielte Vertrauen muss zurückgewonnen werden. Ob das gelingt, ist nur eine von vielen offenen Fragen.

Zu wünschen wäre es – allen Beteiligten.

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