Auf einen Blick
- Bundesrat erkennt Ernst der Lage nicht. Munitionsfabrik in Thun droht Schliessung
- SVP-Ständerat fordert Massnahmen zum Erhalt der Schweizer Rüstungsindustrie
- Standort mit knapp 400 Mitarbeitenden könnte nach fünfjähriger Garantie schliessen
SVP-Ständerat Werner Salzmann (62) ist enttäuscht: «Der Bundesrat hat den Ernst der Lage nicht erkannt, legt nur die Hände in den Schoss.» Dabei droht das Aus der Munitionsfabrik in Thun, die bis 2022 dem Bund gehörte. Der italienische Beretta-Konzern als neuer Besitzer erwägt, den Standort mit knapp 400 Mitarbeitenden zu schliessen. Begründet wird dies etwa mit dem strengen Schweizer Exportregime. Konsequenz: Die Armee wäre künftig auf Munition aus dem Ausland angewiesen.
«Im Krisenfall wären wir vom Ausland abhängig, was sicherheitspolitisch fatal wäre», betont Salzmann. Zwar wurde mit der Käuferin eine Standortgarantie von fünf Jahren für die heutige Swiss P Defence vereinbart. Danach aber könnte Schluss sein. Das besorgt Schweizer Sicherheitspolitiker. Salzmann und seine Mitstreiter hatten sich denn auch stets gegen einen Verkauf der Thuner Fabrik ins Ausland gewehrt. Sie sehen die Versorgungssicherheit als gefährdet an.
«Sogar der Bundesrat hat den Verkauf als Fehler erkannt»
Der Verkauf ging dennoch über die Bühne – zwei Wochen nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Seither hat sich die Sicherheitslage in Europa massiv verschärft. Salzmann wollte daher vom Bundesrat wissen, wie er die Munitionsfabrik im Land halten will und ob er sich vorstellen kann, die Firma oder Teile davon wieder zurückzukaufen: «Immerhin hat sogar der Bundesrat den Verkauf im Nachhinein als Fehler erkannt.»
Tatsächlich hält der Bundesrat fest, dass heute ein Verbleib der Swiss P Defence in der Schweiz für die Armee «vorteilhaft wäre». Auch Verteidigungsministerin Viola Amherd (62) hatte gegenüber dem Fernsehen SRF eingeräumt, dass die Situation eine andere gewesen sei, als der Verkaufsentscheid fiel. «Aus heutiger Sicht kann man diesen Entscheid sicher auch anders anschauen.»
«Einfach weiter Munition zu bestellen, reicht nicht»
Konkrete Massnahmen, um den Wegzug der ehemaligen Ruag-Tochter zu verhindern, aber will der Bundesrat dennoch nicht ergreifen. Weil die Munitionsfabrik vorab auf ein gewisses Auftragsvolumen angewiesen sei, habe das Verteidigungsdepartement VBS entschieden, für die Armee Bestellungen in ähnlichem Umfang wie in den vergangenen Jahren zu tätigen. Gleichzeitig ist dem Bund klar: Für den Erhalt der Firma ist der Heimmarkt schlicht zu klein, wie er auf Salzmanns Forderung schreibt.
Weitere Optionen hat der Bund dennoch nicht geprüft. Ein Rückkauf der Firma ist für den Bundesrat jedenfalls kein Thema: Weder dem Bund selber noch dem staatseigenen Rüstungsbetrieb Ruag stünden die dazu nötigen Mittel zur Verfügung, argumentiert er. Auf den Umstand, dass die heutige Besitzerin aber vor allem unter den strikten Waffenexportregeln leidet, geht die Regierung gar nicht erst ein.
SVP-Sicherheitspolitiker Salzmann gibt sich damit nicht zufrieden. «Einfach weiter Munition zu bestellen, reicht nicht», sagt er. «Wenn der Bundesrat riskieren will, dass die Firma nach fünf Jahren verschwindet, muss er sich genauso verhalten. Das ist nicht nachvollziehbar.» Soll die Rüstungsindustrie in der Schweiz erhalten werden, sei das Kriegsmaterialrecht anzupassen. Das Parlament wird voraussichtlich im Sommer einen neuen Lösungsvorschlag beraten – und dabei wohl auch die Thuner Munitionsfabrik im Hinterkopf haben.