Rückenschüsse aus Rapperswil
Aussenpolitiker erschweren Gespräche mit Brüssel

Die Gespräche zwischen Bern und Brüssel über eine Weiterentwicklung des bilateralen Wegs verlaufen harzig. Dass Parlamentarier dabei eigene Initiativen entwickeln, stösst in der Bundesverwaltung je länger, desto weniger auf Verständnis.
Publiziert: 12.10.2022 um 19:35 Uhr
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Am 23. April 2021 versenkte der Bundesrat das Rahmenabkommen. Im Bild der damalige Bundespräsident Guy Parmelin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Foto: Francois Walschaerts
Sermîn Faki

In den Verhandlungen mit der EU gibt es erneut Ärger. Diesmal ist es nicht Brüssel, das für Unmut sorgt, sondern ein Vorgang in der Schweiz. Genauer: eine Erklärung, die Schweizer Aussenpolitiker und EU-Politiker am vergangenen Freitag gemeinsam verabschiedet haben.

Vorangegangen war ein Treffen der beiden Delegationen in Rapperswil-Jona SG. Dies nicht ganz zufällig, die malerische Stadt am Zürichsee ist Wohnort des St. Galler Ständerats Benedikt Würth (54), der die Efta-/EU-Delegation präsidiert und die Erklärung gemeinsam mit seinem Gegenpart, dem EU-Parlamentarier Andreas Schwab (49), unterzeichnet hat.

Erwartungen, vor allem an die Schweiz

Darin unterstützen sie mehrheitlich den Entwurf des vom Bundesrat verworfenen Rahmenabkommens. So «äussern sie die Erwartung», dass die Landesregierung bei künftigen Verhandlungen wieder auf die darin gefundene Lösung zur Rolle des EU-Gerichtshofs zurückkommt – obwohl diese mit ein Grund dafür war, dass das Abkommen versenkt wurde. Ähnliches gilt in Fragen des Lohnschutzes und der staatlichen Beihilfen.

Mit solchen Aktionen erschweren Parlamentsmitglieder die Arbeit der zuständigen Staatssekretärin Livia Leu (61). Am Mittwoch reiste sie zum fünften Mal in diesem Jahr nach Brüssel. Sie soll einen Weg finden, um mit der EU doch noch zu einer Einigung zu kommen, nachdem der Bundesrat das Rahmenabkommen vor anderthalb Jahren versenkt hat.

Keine Annäherung

Die Streitthemen sind immer noch dieselben, und eine Annäherung ist nicht in Sicht. In unregelmässigen Abständen schieben sich Bern und Brüssel gegenseitig die Schuld dafür in die Schuhe. Die EU setze Druck auf die Schweiz auf und verzögere gleichzeitig weitere Gespräche, sagte Leu in einem Interview Mitte September in der «NZZ». Falsch, konterte kurz darauf EU-Botschafter Petros Mavromichalis (58) im SonntagsBlick. Die EU akzeptiere die Rosinenpickerei der Schweiz nicht länger.

Rückenschüsse wie jener aus Rapperswil machen die ohnehin schwierige Ausgangslage für Leu beinahe zur unmöglichen Mission, heisst es aus der Verwaltung. Im Parlament sässen selbsternannte Schattenaussenminister, die sich mit EU-Kommissar Maros Sefcovic (56) träfen und gern die Position Brüssels übernähmen. Hilfreich sei das nicht. «Aber das ist ja kein Wunder, wenn Schweizer Euro-Turbos in Chats mit EU-Funktionären über Bundesräte lästern», sagt ein Insider in Anspielung auf einen Whatsapp-Chat, in dem sich die Europa-Freunde austauschen.

«Das ist Unsinn»

Ständerat Würth verwahrt sich auf Anfrage «deutlich» gegen den Vorwurf, die Parlamentarier würden die Haltung der Kommission vertreten. «Das ist Unsinn. In zentralen Fragen – beispielsweise bei den von der Schweiz geforderten Ausnahmen, bei der Personenfreizügigkeit und dem Lohnschutz – ist die Haltung der Kommission viel härter.» Dies gelte ebenso beim Freihandelsabkommen, das die EU einbeziehen wolle und das er klar ablehne, und anderen Fragen.

Dennoch sagt er: «Dass es dem Bundesrat nicht passt, wenn mal jemand Klartext redet, mag sein.» Es liege aber am Bundesrat, seinen neuen Ansatz mit Inhalt zu füllen. «Er muss aufzeigen, wie es weitergehen soll», fordert der St. Galler und kann sich eine Spitze nicht verkneifen. «Der Bundesrat will einen strukturierten Dialog mit der EU. Die Delegationen des Schweizer Parlaments und des EU-Parlaments haben diesen seit Jahren.»


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