Während man abends auf der Couch entspannt, meldet sich der Chef via SMS «nur ganz kurz» noch mit einem Wunsch für die Sitzung am nächsten Morgen. Das kann ganz schön nerven! Gewerkschaften warnen zudem vor Gesundheitsrisiken für Arbeitnehmende. Während der Corona-Pandemie – als Homeoffice besonders hoch im Kurs stand – waren 30 Prozent der Angestellten sehr häufig mit dem Problem der ständigen Erreichbarkeit konfrontiert, schätzt der Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse.
Gewerkschaften und die politische Linke kämpfen daher schon länger für eine Verschärfung des Arbeitsgesetzes. Auch die Grünen-Nationalrätin Greta Gysin (40) fordert vom Bundesrat die Neuregelung, wonach Arbeitnehmende das Recht haben sollen, in ihrer Freizeit für den Arbeitgeber nicht erreichbar zu sein. Gerade mit Homeoffice verwische die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben zunehmend, «sodass es immer schwieriger wird, zur Ruhe zu kommen».
Bundesrat erkennt keinen Bedarf
Von einer Verschärfung des Arbeitsrechts aber will der Bundesrat nichts wissen. Angeführt von SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (64) erkennt er in seiner eben veröffentlichten Antwort schon heute ausreichende und klare gesetzliche Schranken für die ständige Erreichbarkeit. So bestehe während der Ruhezeit kein Anspruch des Arbeitgebers, die Arbeitnehmenden erreichen zu können. Flexible Arbeitszeiten seien zwar möglich. Die Grenzen des öffentlichen Arbeitsgesetzes zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden seien aber zwingend einzuhalten.
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Statt einer Verschärfung des Arbeitsrechts verweist der Bundesrat vielmehr auf eine mögliche Lockerung, die derzeit im Parlament geprüft wird. Sie geht zurück auf einen Vorstoss von FDP-Präsident Thierry Burkart (48). Denn heute sieht das Gesetz vor, dass zwischen Arbeitsstart und -ende nicht mehr als 14 Stunden liegen dürfen. Neu soll der Zeitraum auf bis zu 17 Stunden ausgedehnt werden können.
Gesetz der gelebten Realität anpassen
Wer um 7 Uhr morgens die Arbeit aufnehme, dürfe nach geltendem Gesetz ab 21 Uhr nicht mehr arbeiten. Dabei gebe es Menschen, die gern am Abend noch ein paar Mails beantworteten, wenn sie davor zum Beispiel am Nachmittag biken gewesen seien, argumentiert Ständerat Burkart. Es gehe darum, das Gesetz der gelebten Realität anzupassen.
Die Gegner hingegen befürchten, dass die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben dadurch nur noch mehr verwischt werde. «Schon heute setzt die ständige digitale Erreichbarkeit vielen Menschen zu», wird etwa SP-Nationalrat David Roth (38) im «Tages-Anzeiger» zitiert. «Nötig sind Regeln, die exakt in die gegenteilige Richtung gehen: Wir müssen den Arbeitnehmenden das Recht zurückgeben, nach Feierabend und am Wochenende einfach abzuschalten.»
Solche oder ähnliche Gesetze sind auch schon in anderen Ländern wie Spanien, Portugal, Frankreich oder Australien geplant oder bereits in Kraft. Trotz mehrerer gescheiterter Anläufe geben Linke und Gewerkschafter in der Schweiz nicht auf.