Der Bundesrat sieht die andern in der Pflicht. Die Kantone müssten nun – je nach epidemiologischer Situation – Verschärfungen der Corona-Massnahmen ins Auge fassen, sagte Gesundheitsminister Alain Berset (49) heute. Der Bund selbst will aktuell nicht tätig werden – obwohl nicht nur die Fallzahlen, sondern inzwischen auch die Spital-Einweisungen rapide steigen. «Wir möchten, wenn möglich, vermeiden, die Massnahmen in der ganzen Schweiz zu verschärfen», so Berset.
Bei den kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Gesundheitsdirektoren werden Vorbehalte gegen diese Strategie laut. Die Erfahrung aus dem vergangenen Jahr zeige, «dass kantonal unterschiedliche Massnahmen bei einer Dynamik, wie wir sie derzeit sehen, in der Bevölkerung auf wenig Verständnis stossen», teilt die Gesundheitsdirektoren-Konferenz (GDK) mit.
Braucht es nationale Massnahmen?
Die GDK teilt zwar die Einschätzung des Bundesrats, dass in der besonderen Lage beide Ebenen – Bund und Kantone – Verantwortung tragen. Die Kantone würden denn auch in jenen Bereichen, für die sie zuständig sind, die Schutzmassnahmen erhöhen. Als Beispiel werden die Wiedereinführung der Maskenpflicht und breites Testen an Schulen, eine Testpflicht für das Personal und Besucherinnen und Besucher von Altersheimen und Spitälern genannt – Massnahmen, die in diversen Kantone jüngst beschlossen wurden.
Aus ihrer Sicht müsse aber «mit Vorlauf auch über weitere nationale Massnahmen diskutiert werden», hält die GDK fest. Dann könne man diese ergreifen, sollte sich die Lage – wie erwartet – weiter zuspitzen. Auf Nachfrage, wann diese Diskussion ins Rollen gebracht werden muss, sagt GDK-Sprecher Tobias Bär: «Wir sind überzeugt, dass sich der Bundesrat bereits Überlegungen macht, damit er gegebenenfalls rasch schweizweite Massnahmen in die Konsultation geben kann.»
Als mögliche nationale Massnahmen nennt die GDK eine Ausweitung der Maskenpflicht primär auf Innenräume, vermehrtes Homeoffice oder Kapazitätsbeschränkungen.
Warnung vor schlechterer Behandlungsqualität
Laut Bundesrat Alain Berset ist die Regierung überzeugt, dass man eine Überlastung des Gesundheitswesens mit regionalen Verschärfungen und Eigenverantwortung der Bevölkerung verhindern kann. Er forderte die Kantone aber auch auf, sich in den Spitälern auf «eine erneute sehr hohe Belastung» so gut wie möglich vorzubereiten. Auf die Frage, was genau die Spitäler aus seiner Sicht denn noch tun können, lieferte Berset keine Antwort.
Die GDK ihrerseits teilte mit, man werde die Intensivpflege-Kapazitäten für die Behandlung der grossmehrheitlich ungeimpften Covid-Patienten nach Möglichkeit erhöhen. Man müsse sich aber bewusst sein, was das bedeute: «Es müssen weitere Operationen verschoben werden, die Behandlungsqualität sinkt. Das betrifft dann alle, nicht nur Covid-Erkrankte.»
Die Zahl der Betten auf den Intensivstationen könne nicht beliebig erhöht werden, dafür fehle qualifiziertes Personal. «Das bestehende Personal ist nun schon sehr lange stark beansprucht, was zu Abnützungserscheinungen und Absenzen führt. Ein starker und kurzfristiger Ausbau wie im Frühling 2020 ist deshalb nicht mehr möglich.» (lha)