Darum gehts
- Die reformierte Kirche distanziert sich von direkter Unterstützung der Konzernverantwortungs-Initiative
- Kirche setzt auf sachliche Informationen statt Parolen für offene Diskussionen
- Karl Vogler vom Initiativkomitee findet diesen Rückzug falsch, sieht aber, dass die Kirchen unter Druck stehen
Diesmal werden an den reformierten Kirchtürmen wohl keine orangen Fahnen für die Konzernverantwortungs-Initiative flattern. Der obersten Schweizer Reformierten, Rita Famos (59), ging das politische Engagement der Kirche vor fünf Jahren «in der Methode» zu weit. Das sagte sie in der «SRF-Samstagsrundschau».
In einem Positionspapier gibt sich die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz selbstkritisch: «Die Unterstützung der Konzernverantwortungs-Initiative 2020 war ein Ausdruck der Verpflichtung, Gerechtigkeit, Solidarität und Nachhaltigkeit zu fördern, die aus heutiger Perspektive zu direkt auf die politischen Prozesse einwirken wollte.»
Zur Erinnerung: 2020 scheiterte die Konzernverantwortungs-Initiative nach einem hitzigen Abstimmungskampf am Ständemehr. Die Initianten gehen nun in eine weitere Runde und haben die Konzernverantwortungs-Initiative II eingereicht. Die reformierte Kirche ist diesmal nicht mit von der Partie, nachdem sie im letzten Abstimmungskampf viel Kritik einstecken musste. War ihr der politische Streit zu heiss?
Karl Vogler (63), ehemaliger CSP-Nationalrat und Mitglied des Initiativkomitees, wundert sich nicht über die Reaktion der Reformierten. «Die Kirche ist in letzter Zeit unter Druck geraten, wenn sie sich politisch betätigt.» Dementsprechend seien die Institutionen zurückhaltend geworden.
Werden Kirchen mundtot gemacht?
Das Engagement der Kirchen und anderer Organisationen für die Konzern-Initiative hat zu verschiedenen Vorstössen aus bürgerlichen Kreisen geführt. Sie zielen darauf ab, die politischen Aktivitäten dieser Akteure einzuschränken. Ein Beispiel dafür ist der aktuelle Vorstoss der FDP, welche die Steuerbefreiung von Nichtregierungsorganisationen bei politischer Tätigkeit aufheben will. Betroffen wären auch kirchennahe Hilfswerke. «Man will die Kirchen mundtot machen», resümiert Vogler.
Rita Famos betont aber, dass es nicht um die Angst vor Sanktionen geht. «Es ist wichtig, die Gewissensfreiheit und die Pluralität der Meinungen innerhalb der Kirche zu achten», heisst es auch im Positionspapier der Kirche. Deshalb wolle man diesmal nicht auf Parolen setzen, sondern auf sachliche Information und Dialog. Durch den Verzicht auf eine konkrete Unterstützung der Initiative hofft die Kirche, einen offeneren Diskussionsraum zu schaffen und «die Vielfalt der Meinungen zu respektieren».
Karl Vogler findet es allerdings völlig falsch, dass sich die Kirche nicht politisch engagieren soll. «Die Kirche ist eine moralische Instanz und muss sich gegen Ungerechtigkeiten erheben.» Neben der Überzeugung, dass sich alle kirchlichen Institutionen weiter tatkräftig für die Schwachen einsetzen sollen – auch politisch – sieht Vogler keine direkten Konsequenzen für die neue Initiative.
Der Obwaldner Politiker ist sich sicher: Engagierte Christinnen und Christen setzten sich auch weiterhin für mehr Konzernverantwortung ein, schliesslich gehe es dabei um die Wahrung von Menschenrechten. «Auch wenn es die offizielle Kirche nicht tut, werden sich ihre Mitglieder für die Konzernverantwortung aussprechen.»