Jetzt kommt die Konzernverantwortungs-Initiative 2.0
Schöne Worte sind nicht genug

Anlauf Nummer zwei: Wo immer Schweizer Konzerne tätig sind, sollen sie die Menschenrechte und den Umweltschutz respektieren – und bei Verstössen haftbar gemacht werden. Die erste Volksinitiative dazu scheiterte 2020 am Ständemehr.
Publiziert: 05.01.2025 um 10:34 Uhr
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Aktualisiert: 07:32 Uhr
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In einer Petition haben 2022 über 217'000 Unterzeichnende ein griffiges Gesetz zur Konzernverantwortung verlangt.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Neue Konzernverantwortungs-Initiative fordert verbindliche Auflagen für Firmen
  • Initianten kritisieren, dass Nachhaltigkeitsberichte nicht der Wahrheit entsprechen
  • In der Rekordzeit von 30 Tagen sollen 100'000 Unterschriften zusammenkommen
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Andreas SchmidInlandredaktor

Seit 2024 müssen Schweizer Unternehmen in Nachhaltigkeitsberichten festhalten, wie sich ihre Geschäfte auf das Weltklima, das Befinden ihrer Beschäftigten und auf die lokale Bevölkerung auswirken. So will es der vom Parlament verabschiedete Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungs-Initiative (Kovi). Er trat in Kraft, nachdem das Begehren Ende 2020 in einer dramatischen Abstimmung scheiterte. Zwar sprach sich die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer dafür aus, doch das notwendige Ständemehr wurde verfehlt.

Nun unternehmen NGOs, Gewerkschaften und bürgerliche Politiker einen zweiten Anlauf. Die breit aufgestellte Allianz hält den Gegenvorschlag für eine Alibi-Übung – in der EU gilt seit kurzem eine Konzernverantwortungsrichtlinie, die weit über die Vorgaben hierzulande hinausgeht.

«Weitgehend wirkungslos»

Nächste Woche startet die Allianz ihre Kampagne. Die notwendigen 100'000 Unterschriften will sie in der Rekordzeit von 30 Tagen zusammenbekommen. 

Ziel der Initiative «Kovi 2.0»: Konzerne sollen einer Sorgfaltspflicht unterliegen, die internationalen Standards entspricht und beispielsweise Kinderarbeit zuverlässig unterbindet. Betroffene sollen erlittene Schäden einklagen können. Zudem fordern die Initianten ein Aufsichtsorgan, das bei Menschenrechtsverletzungen und Verstössen gegen Umweltstandards hohe Bussen aussprechen kann. 

Im Initiativkomitee von Kovi 2.0 engagiert sich auch der Solothurner Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (48). Die Berichterstattungspflichten, die das Parlament vor vier Jahren beschlossen hat, seien «weitgehend wirkungslos» geblieben: «Noch mehr Hochglanzbroschüren bringen nichts», so Müller-Altermatt. Es brauche verbindliche Auflagen gegen Umweltverschmutzung und Kinderarbeit. 

Als abschreckendes Beispiel nennt der Mitte-Politiker die Nachhaltigkeitsberichte des Zuger Unternehmens Glencore. Seit Jahren behaupte der Rohstoffriese, es gebe in seinem Tätigkeitsbereich keine Fälle von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung, «obwohl dokumentiert ist» so Müller-Altermatt, «dass Glencore-Minen die Natur geschädigt und die indigene Bevölkerung vertrieben haben». Nur durch entschlossenes Handeln der Exekutive könnten Konzerne von einem solchen Geschäftsgebaren abgebracht werden. 

Gegensätzliche Darstellung

International tätige Unternehmen wie Glencore, Syngenta oder Lindt & Sprüngli betonen in den Halbjahresberichten 2024 ihren verantwortungsvollen Umgang mit Mensch und Umwelt, halten die Initianten fest. Die unmittelbaren Nachbarn ihrer jeweiligen Produktionsstätten erzählten jedoch eine andere Geschichte. So verursache zum Beispiel eine Glencore-Mine in Peru eine gravierende Umweltverschmutzung, die Ortsansässige erkranken und Tiere verenden lasse. 

Glencore-Sprecherin Sarah Antenore widerspricht: «Wir nehmen unsere Verantwortung gegenüber unseren Angestellten, der Gesellschaft und der Umwelt sehr ernst.» Glencore sei bestrebt, mit den Aktivitäten die Uno-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Das Rohstoffunternehmen fördere ethische und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken. 

Im Halbjahresbericht von Syngenta bleibe unerwähnt, welche Folgen der Einsatz von Pestiziden des Agrartechnologiekonzerns gehabt habe: 2023 sei in Costa Rica das Trinkwasser von zwei Dörfern durch den Einsatz eines Syngenta-Produkts so stark kontaminiert worden, dass die Bevölkerung aus Tanklastwagen mit Trinkwasser habe versorgt werden müssen.

Syngenta-Sprecher Beat Werder betont, alle Produkte der Firma seien in den Importländern «sicherheitsgeprüft, registriert und zugelassen» worden. Syngenta setze sich dafür ein, Landwirte weltweit dabei zu unterstützen, ihre Nutzpflanzen produktiv und nachhaltig anzubauen. 

Der Unternehmenssprecher hebt hervor, die neue Initiative gehe davon aus, dass Unternehmen relevante Informationen verbergen: «Das ist inkorrekt.» Vielmehr räumten die Vorschriften ihnen einen Ermessensspielraum bei der Offenlegung ihrer Tätigkeiten ein. 

Kritik an Kakaoproduktion

Lindt & Sprüngli wirft das Konzernverantwortungs-Bündnis vor, im Halbjahresbericht schöne Worte zu verwenden, statt Taten zu beweisen. Dass die Firma darauf hinweise, Kinderarbeit «wann immer möglich zu vermeiden», sei wenig vertrauenerweckend. Ebenso wie der Umstand, dass der Schokoladenhersteller sein «Farming»-Programm zur Verhinderung von Kinderarbeit an einen umstrittenen Rohstoffhändler ausgelagert habe.

Eine Sprecherin von Lindt & Sprüngli versichert, die Firma habe sich «einer transparenten Berichterstattung verschrieben». Die Umsetzung des «Farming»-Programms gemeinsam mit den Lieferanten werde im Nachhaltigkeitsbericht festgehalten, zudem seien die Kakaoproduzenten transparent auf der Website ausgewiesen. 

Die Initianten geben sich mit solchen Hinweisen nicht zufrieden. Sie fordern verbindliche Vorgaben – und wollen bereits in gut einem Monat 100'000 Unterschriften von Menschen präsentieren, die das ebenfalls verlangen.

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