Re-Re-Referendum
Massnahmen-Gegner haben ein Puff mit der Post

Die Massnahmenkritiker sammeln zum dritten Mal Unterschriften gegen das Covid-Gesetz. Doch es harzt: Hunderte falsch adressierter Bögen landeten im Nirgendwo.
Publiziert: 15.01.2023 um 17:09 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2023 um 17:11 Uhr
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Der Mass-Voll-Vorstand sammelte in Davos Unterschriften fürs Referendum (v.l.): Nicolas Rimoldi, Michael Straumann und Naomi Tambasco.
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Peter AeschlimannRedaktor

Es gibt sie noch, die Freunde der Verfassung. Doch die Covid-Massnahmen-Kritiker sind angezählt. Seit dem Herbst besteht ihr Vorstand nur noch aus drei Mitgliedern – gemäss Statuten müssten es mindestens fünf sein.

Somit sind die Verfassungsfreunde handlungsunfähig, vor der Mitgliederversammlung im Mai dürfen keine neuen Projekte aufgegleist werden. Von Auflösungserscheinungen könne dennoch keine Rede sein, sagt Co-Präsident Roland Bühlmann: «Wir sind immer noch da, die Arbeit geht uns nicht aus.»

Den Entscheid, ein drittes Mal gegen das Covid-Gesetz in den Kampf zu ziehen, fasste der Verein bereits im letzten August. Nachdem das Parlament der Verlängerung einzelner Massnahmen zur Pandemiebekämpfung bis Ende 2024 zugestimmt hatte, starteten die Verfassungsfreunde das Referendum.

Kommt es zustande, entscheiden die Stimmberechtigten voraussichtlich im Juni an der Urne über eine Vorlage, die bereits seit 1. Januar in Kraft ist. Für Nicolas Rimoldi, den Co-Präsidenten des Referendumskomitees, ist das ein «demokratiepolitischer Skandal».

Aktuell steht der Zähler bei 4374 Unterschriften. Dabei müssen es in rund zwei Monaten 50'000 sein. Im Sommer 2021, beim zweiten Referendum, kamen in lediglich drei Wochen 190'000 Unterschriften zusammen. Dieses Mal läuft es harziger. Kein Wunder: Im CS-Sorgenbarometer gehört Corona nicht mehr zu den fünf wichtigsten Ängsten, Masken sind zum Ladenhüter geworden, Millionen Dosen für die Booster-Impfung müssen mangels Nachfrage vernichtet werden, während die Erinnerungen an den Lockdown allmählich verblassen.

Falsche Adresse

Ein Grund für den Fehlstart ist allerdings hausgemacht. Die Verfassungsfreunde druckten 100'000 Unterschriftenbögen mit der Anschrift «Massnahmen Nein, 3000 Bern». Eine Vereinsadresse, die laut Post-Sprecher Stefan Dauner schlicht nicht existiert. Hinterlegt hatte der Verein am 6. September 2022 nämlich die Adresse «Freunde der Verfassung, 3000 Bern». Dauner: «Die Post-Mitarbeiter wussten nicht, wohin diese Bögen zu senden sind.» Laut Nicolas Rimoldi gingen so Hunderte von Bögen verloren.

Von einem «ärgerlichen Missverständnis» spricht Verfassungsfreund Roland Bühlmann. Er sei in dieser Sache mehrmals bei der Post vorstellig geworden, am Schalter oder auch telefonisch. Erst habe es Zusagen gegeben, dann wieder Absagen. Trotz des «Cabarets» mit der Post ist Bühlmann zuversichtlich, die 50'000 Unterschriften rechtzeitig vorlegen zu können. «Das Damoklesschwert des Covid-Zertifikats hängt immer noch über der Gesellschaft.»

Dass die Schweizerinnen und Schweizer ein drittes Mal über Covid-Massnahmen abstimmen werden, hält Kampagnenprofi Daniel Graf für sehr wahrscheinlich: «Man darf die Freunde der Verfassung nicht voreilig abschreiben.» Der Verein verfüge wohl über mehr als 100'000 Postadressen und habe das nötige Kleingeld, sowohl den nationalen Postversand durchzuführen, als auch – falls es knapp wird – bezahlte Unterschriftensammlerinnen loszuschicken. In der Weihnachts- und Neujahrszeit sei es erfahrungsgemäss schwierig, ein Referendum zu starten. «Ich schliesse nicht aus, dass die Kampagne erst in den nächsten Wochen richtig anrollt.»

Klappt es beim dritten Mal?

Ob die Verfassungsfreunde beim dritten Anlauf an der Urne erfolgreich sein werden, ist eine ganz andere Frage. «Das Thema ist bei vielen Leuten einfach durch», sagt Politologin Cloé Jans vom Forschungsinstitut GFS. «Nach zwei verlorenen Abstimmungen könnte man auch mal sagen: Es reicht jetzt.» Die Energiezukunft beschäftige die Schweizerinnen und Schweizer entschieden mehr.

Für kurze Zeit habe es danach ausgesehen, als ob Gruppierungen wie Mass-Voll oder die Verfassungsfreunde das Parteiensystem durcheinanderwirbeln könnten, so Jans. «Heute weiss man: Daraus wird nichts.»

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