Heinz Buser (78) lebt in der Agglo, wählt FDP und stört sich an der «Anspruchshaltung» grosser Teile der Gesellschaft. Björn Müller (44) ist seit kurzem Schweizer Staatsbürger, wohnt in der Stadt und befürwortet eine Elternzeit für frischgebackene Mütter und Väter. Buser, pensionierter Versicherungsmanager, lehnt das Ausländerstimmrecht auf Gemeindeebene ab. Müller, studierter Psychologe und Soziologe, sieht darin ein sinnvolles Instrument zur Förderung der Integration. Buser steht dem bedingungslosen Grundeinkommen skeptisch gegenüber, Müller findet es einen Versuch wert.
«Lasst uns reden» bringt Menschen unterschiedlicher Meinung zusammen
Was geschieht, wenn zwei, die politisch anders ticken, miteinander ins Gespräch kommen? Die Denkfabrik Pro Futuris will das nun austesten. Im Rahmen des Formats «Lasst uns reden» bringt die Organisation Menschen zusammen, die gegensätzliche Meinungen vertreten. Man wolle damit einen Beitrag leisten, die «wachsende Polarisierung der Gesellschaft» zu bremsen, sagt Programmleiter Ivo Scherrer (34): «Wenn sich jeder nur noch in der eigenen Filterblase bewegt, gefährdet dies das Funktionieren der Demokratie.»
Heinz Buser und Björn Müller begegnen einander an einem Samstag in Bern. Zuvor haben sie in einem Fragebogen ihre Meinung zu Themen wie Elternzeit angegeben – und meist gegensätzliche Antworten notiert.
Nach der Begrüssung und einer kurzen Aufwärmrunde geht es ans Eingemachte: das Thema Elternzeit. «Darf ich, aus persönlicher Betroffenheit heraus, anfangen?», fragt Müller den Gesprächspartner. Buser nickt. Seiner Meinung nach sollte die Schweiz «unbedingt» eine Elternzeit einführen, sagt Müller. Sein kleiner Sohn profitiere davon, dass beide Elternteile präsent seien. «Ich würde jeder Familie wünschen, dass sie diese Möglichkeit hat.»
Buser hört zu, nickt erneut, lässt Müller ausreden. Sein Hintergrund sei ein völlig anderer, holt er dann aus. «Ich komme aus einer bescheidenen Familie. Für mich war klar, dass ich als junger Erwachsener arbeiten und Geld verdienen muss.» Er könne sich gut vorstellen, schlägt Buser den Bogen, dass die Elternzeit eine gute Sache sei. «Aber ich frage mich, wie das für ein Kleinunternehmen funktionieren soll, wenn es jemandem über Monate hinweg die Stelle frei halten muss.»
Zweistündige Diskussion mit Wiederholungspotenzial
Immer wieder greifen beide Gesprächsteilnehmer auf persönliche Erfahrungen zurück, um dem Gegenüber ihre Position zu erklären. Rund zwei Stunden lang diskutieren die beiden – und hören einander zu.
Das Gespräch verläuft harmonisch, fast zu harmonisch. Erst am Ende der Debatte, als die Kontrahenten schon dabei sind, sich zu verabschieden, kommt ein Thema zur Sprache, in dem sie grundsätzlich anderer Meinung sind: Die Frage, welche Rolle die «Mentalität» von Ausländergruppen bei der Integration spiele. Müller findet, das Konzept sei nicht zielführend. Buser setzt zu einer Entgegnung an, schon ist die Debatte wieder lanciert.
Doch für eine weitere Runde fehlt die Zeit. Buser muss weiter. Die beiden verabschieden sich dann doch – und einigen sich darauf, das Ganze gelegentlich zu wiederholen.