438 Wörter lang ist das Communiqué, das der Bundesrat am Freitag verschickt hat. 438 Wörter, die im Wesentlichen sagen: Wir wissen auch nicht so recht.
Und das 14 Monate, nachdem die Landesregierung das Rahmenabkommen versenkt und der EU die Tür vor der Nase zugeschlagen hat. Dabei war die Analyse des Bundesrats im letzten Frühjahr richtig: Das Abkommen, so wie es vorlag, hätte niemals eine Chance in der Bevölkerung gehabt. Das Ende mit Schrecken dem Schrecken ohne Ende vorzuziehen, war da nur konsequent.
Sondieren und berücksichtigen
Nur: Seitdem laviert die Landesregierung herum. Und hier ist ein Ende nicht abzusehen. Wie im eingangs erwähnten Communiqué steht, will sie die «Sondierungen intensivieren» und darin «Spielräume und Lösungsansätze berücksichtigen».
Die strittigen Punkte sind noch dieselben wie vor einem Jahr. Staatssekretärin Livia Leu (61) soll noch ein paar Mal nach Brüssel reisen, um herauszufinden, wo man sich finden könnte. Dabei weiss man, dass der Vorschlag des Bundesrats in Brüssel auf taube Ohren stösst.
Keine Annäherung in Sicht
Denn die Schweiz will, dass die bestehenden bilateralen Marktzugangsabkommen ganz normal weiterlaufen, neue wie zum Strom abgeschlossen werden und Schweizer Universitäten wieder voll bei der Forschungskooperation Horizon mitmachen können. Im Gegenzug ist der Bundesrat bereit, über «Lösungsansätze in Bezug auf die dynamische Rechtsübernahme, die Streitbeilegung, die staatlichen Beihilfen und die Verstetigung des Schweizer Beitrags», also die Kohäsionsmilliarde, zu reden.
Dass das Brüssel zu vage ist, dürfte nicht erstaunen. Und der Bundesrat räumt auch offen ein: «Die Positionen liegen nach wie vor weit auseinander, und es besteht zusätzlicher Klärungsbedarf.»
So-tun-als-ob ist ihnen ganz recht
Derweil wächst im Inland der Druck auf die Landesregierung. Die Reaktionen auf den Stillstand fallen inzwischen harsch aus. Öffentlich zeigen sich Economiesuisse, der Arbeitgeberverband und auch die Schweizer Städte zunehmend «besorgt» darüber, dass keine entscheidenden Schritte eingeleitet wurden.
Hinter vorgehaltener Hand häufen sich die Schuldzuweisungen. Es blockierten die SP-Bundesräte, die von den Gewerkschaften in Geiselhaft genommen wurden, heisst es aus der Wirtschaft. Vor allem Alain Berset (50) sehe die Dringlichkeit nicht, heisst es.
Die Linke sieht die Schuld beim Bundespräsidenten Ignazio Cassis (61), dem zuständigen Aussenminister. Als Bundesrat von SVPs Gnaden sei es klar, dass da nichts komme – vermutlich bis zu den nächsten Wahlen nicht.
Nüchterner betrachtet, macht es den Anschein, als wäre dem Gesamtbundesrat dieses So-tun-als-Ob ganz recht. «Wieso vorwärtsmachen? Es funktioniert doch alles», ist das Motto.
Aus dem EU-Poker beim Rahmenabkommen ist so diplomatisches Mikado geworden. Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Mal schauen, wie lange das gutgeht.