Auf einen Blick
- Quickzoll-App berechnet Höchstsatz für alle Waren bei Auslandseinkäufen
- Steuerexperte kritisiert fehlende rechtliche Grundlage für die Vereinfachung
- 2023: 68'600 Verzollungen mit Quickzoll, Einnahmen von 6,5 Millionen Franken
Seit Januar müssen Einkäufe ab 150 Franken im Ausland verzollt werden. Die Quickzoll-App des Bundes soll diesen Prozess vereinfachen, doch sie hat einen Haken: Egal ob Lebensmittel, Medikamente oder Bücher – alles wird mit dem Höchstsatz berechnet.
Auch für Waren, die eigentlich einem reduzierten Satz von 2,6 Prozent unterliegen würden, zahlen zukunftsgerichtete Einkaufstouristen stattdessen 8,1 Prozent Mehrwertsteuer. Das sorgt für Ärger bei Konsumenten – und für Kritik bei Steuerexperten und Konsumentenschützern.
Zoll verteidigt die unbefriedigende IT-Lösung
Ein Beispiel zeigt die Problematik: Bei einem Einkauf von 250 Franken in Deutschland für Lebensmittel, Medikamente und Bücher zahlt man mit Quickzoll 20.25 Franken Mehrwertsteuer. Am Zollschalter wären es nur 6.50 Franken – eine Differenz von 13.75 Franken!
Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» verteidigt das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) die App. Man habe «transparent und offen» über die Anwendung des Normalsatzes informiert. Tatsächlich wird der Nutzer beim ersten Öffnen der App darauf hingewiesen.
Der Bund begründet die Vereinfachung mit dem Wunsch nach einer schnellen Lösung. Eine Anpassung sei erst für 2026 geplant, da ein «grundsätzliches Redesign» nötig sei, was Kosten und Ressourcen erfordere.
Für Steuerexperte handelt der Bund widerrechtlich
Doch Steuerexperte Martin Kocher kritisiert diese Haltung scharf. Er sehe keine rechtliche Grundlage für diese «Vereinfachung». Laut Kocher führt die App zu «Falschbesteuerungen und fördert tendenziell den Einfuhrschmuggel, was beides nicht erwünscht und gesetzwidrig ist».
Auch der Konsumentenschutz ist unzufrieden. André Bähler, Leiter Politik und Wirtschaft bei der Stiftung für Konsumentenschutz, findet die App zwar «grundsätzlich sinnvoll», kritisiert aber die pauschale Anwendung des höchsten Steuersatzes. Er schlägt vor, zumindest einen Mittelwert zwischen reduziertem und Normalsatz zu verwenden.
App ist bei Einkaufstouristen beliebt
Trotz der Kritik erfreut sich Quickzoll wachsender Beliebtheit. Laut BAZG wurden 2023 rund 68'600 Verzollungen durchgeführt und Einnahmen von etwa 6,5 Millionen Franken generiert. Zum Vergleich: Die gesamten Mehrwertsteuereinnahmen des Bundes belaufen sich auf rund 12 Milliarden Franken.
Die Frage nach den ungerechtfertigten Mehreinnahmen durch die App bleibt offen. Auf Anfrage des «Tages-Anzeigers» teilte das BAZG mit, dass hierzu «keine Zahlen vorliegen». So oder so: Mindestens bis nächstes Jahr stellt sich für Konsumenten weiterhin die Frage, ob sie beim Einkauf ennet der Grenze lieber Zeit oder Geld einsparen wollen.