In der Stadt Bern demonstrierten am Samstag schätzungsweise 8000 Menschen an der Pride für die Akzeptanz der LGBTIQ-Gemeinschaft (lesbisch, schwul, bi, trans, inter, queer). Auch wenn am Umzug durch die Stadt Bern friedlich, laut und musikalisch verlief: Bei der Pride handelt es sich auch um eine politische Veranstaltung. Das rief spätestens SP-Nationalrätin Tamara Funiciello (33) in ihrer Rede auf dem Bundesplatz in Erinnerung.
In ihrer Ansprache wandte sie sich nicht nur an die Community, sondern direkt auch an die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (46). Anlass für ihre Rede: In Padua dürfen Kinder keine gleichgeschlechtlichen Eltern mehr haben. Der Eintrag der zweiten Mutter oder des zweiten Vaters wird in ihren Geburtsurkunden gestrichen. Kinder verlieren rückwirkend auf dem Papier einen Elternteil.
Sicherheit queerer Menschen unter Druck
Die Staatsanwaltschaft von Padua beruft sich auf ein Schreiben des Innenministeriums von diesem Frühjahr, mit dem die Präfekten im ganzen Land angehalten wurden, die Ausstellung von Geburtsurkunden für Kinder gleichgeschlechtlicher Paare durch die Bürgermeister zu unterbinden.
«Giorgia Meloni nimmt uns gerade unsere Kinder weg», rief Funiciello unter Buh-Rufen am Samstag in ihrer Rede. In Italien würden lesbische Mütter das Recht auf ihre Kinder verlieren. An Meloni gewannt, sprach die SP-Frau: «Sona una donna, amo una donna, a non per questo sono meno donna.» («Ich bin eine Frau, ich liebe eine Frau, und das macht mich nicht weniger zu einer Frau.»).
Die offizielle Schweiz müsse die Vorkommnisse in Italien verurteilen und Position beziehen, sagte sie. «Queerfeindlichkeit soll endlich als Asylgrund anerkannt werden», forderte Funiciello. Denn man müsse sich bewusst sein, dass die Freiheit, die Sicherheit und die Rechte queerer Menschen gerade weltweit infrage gestellt werde.
Jedes Gesuch einzeln geprüft
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty Queer schreibt, dass immer mehr LGBTI-Menschen auf der Suche nach Schutz ihr Heimatland verlassen würden. Wie hoch die Zahl der Menschen ist, die in der Schweiz bisher aufgrund ihrer sexuellen Präferenz Schutz suchen mussten, lässt sich aber nicht eruieren. Denn Asylgründe von Asylsuchenden werden nicht statistisch erfasst, heisst es beim Bundesamt für Migration (SEM) auf Anfrage.
Die Frage, ob eine geschlechtsspezifische Verfolgung im Hinblick auf die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft massgebend ist oder nicht, müsse jedem Einzelfall geprüft werden, heisst es beim SEM weiter. «Alleine das Bestehen eines Verfolgungsgrundes und eine konkrete, individuelle Gefährdung reichen für sich alleine für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus.»
LGBTIQ-Personen sind also nicht automatisch asylberechtigt in der Schweiz, wenn sie aus Ländern kommen, die harte Strafen gegen etwa Homosexuelle kennen. Geflüchtete müssen stattdessen beweisen, dass ihr Leben im Herkunftsland konkret bedroht ist.