Bundesrat Alain Berset (50) kann kleine Flugzeuge steuern. Die Öffentlichkeit aber sollte das nicht wissen und erfuhr erst davon, als herauskam, dass der Innenminister bei seinem letzten Flug mit einer Cessna 182 in Frankreich von einem Rafale-Jet der französischen Luftwaffe vom Himmel geholt wurde.
Mails, die Blick gesehen hat, zeigen, dass der Gesundheitsminister sein Hobby geheim halten wollte. Der Bundesrat schrieb einer ihm bekannten Person vor einiger Zeit, er sei mit einem Freund privat unterwegs gewesen, «mit dem ich eine Leidenschaft für das Fliegen in kleinen Flugzeugen teile». Dazu setzte er ein lachendes Emoji, gefolgt von einer Anforderung an die Person, dazu zu schweigen: «Aber pssst, niemand weiss es!»
Wenig später schrieb er der gleichen Person: «Fast niemand weiss, dass ich fliege, dass ich diese kleinen Flugzeuge steuern kann, es ist ein Teil meines geheimen Gartens.»
Privatsphäre oder Doppelmoral?
Warum Berset seine Leidenschaft für luftige Höhen unter dem Deckel halten wollte, bleibt sein Geheimnis: Wollte er schlicht seine Privatsphäre wahren? Immerhin gibt es keine Beschränkungen für Bundesräte, welchen Hobbys sie nachgehen, egal wie riskant diese sind. Das dürfte Bersets Verteidigungslinie sein – schliesslich beschied sein Sprecher Christian Favre allen Journalisten, die Fragen zum Zwischenfall in Frankreich hatten, dass dies «Privatsache» sei.
Womöglich ging es dem SP-Bundesrat aber auch darum, den Vorwurf der Doppelmoral zu verhindern. Schliesslich steht seine Partei in der ersten Reihe, wenn es darum geht, den Klimawandel zu bekämpfen, und dazu auch Verzicht predigt. So forderte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (36) im Jahr 2019 ein Verbot von Flügen an Destinationen, die innert zwölf Stunden auch mit dem Zug erreichbar wären. Kommt hinzu, dass ein eher teures Hobby wie das Fliegen auch nicht so gut zu einem Aushängeschild der Arbeiterpartei passt.
Wasser predigen, Kerosin tanken
Bei bürgerlichen Politikern kommt das nicht gut an. In Zürich etwa machte FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois (44) seinem Ärger Luft. «SP-Bundesrat düst mit Sportfliegern rum», twitterte er. «Morgen verbietet seine Zürcher SP zwei Millionen Züri-Fäscht-Besuchern Flugshows.» Obwohl diese mit CO2-freiem Kerosin stattfänden. «SP-Politik einfach erklärt. Für wenige statt für alle.»
Und der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen sagt auf Anfrage: «Zwar ist Bundesrat Bersets Zwischenfall eine private Angelegenheit.» Dennoch zeigten die Ausflüge von Fabian Molina (32) und Cédric Wermuth «mit dem Flieger nach Deutschland zu Genosse Olaf Scholz wie auch diese Eskapade, dass bei der SP Wasser gepredigt, aber dann doch Kerosin getankt wird».
Die SP-Spitze um Wermuth und Mattea Meyer (34) will sich zu diesen Fragen nicht äussern. Anders der neue Juso-Präsident Nicola Siegrist (25), der aus der Klimastreik-Bewegung kommt. «In Zeiten der Klimakrise gibt Berset mit diesem Flug das falsche Zeichen», gibt er zu. Die Klimakrise würde aber nicht mit Fingerzeigen gelöst, «sondern indem wir das klimazerstörerische Wirtschaftssystem ändern».
Bersets Sprecher Favre wollte sich zum Vorwurf der Doppelmoral nicht äussern. Kompensiert der SP-Bundesrat seine Flüge wenigstens? Favre: «Er möchte sich dazu nicht äussern.»