Auf einen Blick
- PFAS-Verbot in EU unter Druck: Industrie wehrt sich mit massiver Lobby-Kampagne
- Chemikalien verursachen Probleme: Blutspende-Verbot, Fischfangverbote und teure Sanierungen
- Lobby-Ausgaben für PFAS stiegen um 34 Prozent auf 25-28 Millionen Euro
Die potenziell krebserregenden PFAS-Chemikalien gelangen in die Umwelt und zersetzen sich nicht – darum die Bezeichnung Ewigkeitschemikalien. Deshalb sollen sie in der EU stark eingeschränkt und teilweise verboten werden. Deutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden und die Niederlande haben Anfang 2023 einen entsprechenden Vorschlag bei der Europäischen Chemikalienbehörde eingereicht.
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Die Industrie wäre sehr breit betroffen. Denn sie setzt PFAS in zahlreichen industriellen Prozessen ein – aber auch in sehr vielen Produkten, von Kontaktlinsen über Feuerlöschschaum bis zu Pizzaschachteln.
Die Industrie wehrt sich deshalb vehement gegen ein weitreichendes Verbot, oft mit fragwürdigen Argumenten, wie der «Beobachter» bereits im Frühjahr 2024 aufzeigte. Diese Bemühungen gegen ein PFAS-Verbot haben sich zum wahrscheinlich grössten Lobby-Ansturm entwickelt, den es in Europa je gab, wie die «Süddeutsche Zeitung» mit Bezug auf eine neue Recherche schreibt.
Verbot massiv unter Druck
In Zusammenhang mit den Chemikalien haben sich bereits vielerorts Probleme gezeigt: In Bayern durften Anwohner eines verseuchten Landstrichs rund um eine Fabrik kein Blut mehr spenden, weil es zu stark belastet war. In Belgien dürfen Eier von Hühnern aus dem Umkreis von mehr als einem Kilometer rund um eine Fabrik nicht gegessen werden, Kinder sollen nicht auf unbedecktem Boden spielen. In der Schweiz gibt es im Wallis Fischfangverbote wegen PFAS und in St. Gallen droht ein Verkaufsverbot für belastetes Fleisch. In den nächsten Jahren stehen in der Schweiz teure Sanierungen an.
PFAS-Chemikalien können krebserregend sein
Das geplante EU-Verbot der Industriechemikalien läuft nun offenbar ernsthaft Gefahr, unter dem Druck der Lobbyisten unterlaufen und massiv abgeschwächt zu werden.
Habeck verbreitet Argumente der Lobby
Wie gezielt die Lobbys auf EU-Ebene vorgehen, zeigt eine Recherche und Analyse der europäischen Lobby-Watchdog-Organisation Corporate Europe Observatory. Im Rahmen des «Forever Lobbying Project» wurde sie am 14. Januar publiziert – gleichzeitig mit von «Le Monde» koordinierten internationalen Recherchen von 46 Journalistinnen und Journalisten in 16 Ländern, darunter auch SRF.
Die Berichte zeigen etwa, wie der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck der Chemielobby auf den Leim geht und selber die falschen Industrie-Argumente verbreitet. Oder wie der Ozempic-Produzent Novo Nordisk in Norwegen Druck aufsetzt.
Lobby-Ausgaben um 34 Prozent erhöht
Corporate Europe Observatory deckt auf, wie die Argumente der Lobbyisten auf der höchsten Ebene der EU-Kommission angekommen sind. Ausserdem gibt es Dokumente, die zeigen, wie die Kommission PFAS-Interessenvertreter dabei berät und unterstützt, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen.
Die Lobby-Kampagne habe mit Panikmache, branchenfinanzierten Studien und unbegründeten Behauptungen zu einer regelrechten Kehrtwende in der Politik geführt. Nicht umsonst haben die PFAS-Produzenten ihre deklarierten Lobby-Ausgaben auf EU-Ebene allein im vergangenen Jahr um 34 Prozent auf rund 25 bis 28 Millionen Euro erhöht.
Die Schweiz ist mittendrin
Und die Schweiz? Obwohl es um eine EU-Regulierung geht und nicht direkt um Schweizer Recht, steckt sie mitten im Geschehen, wie im Report von Corporate Europe Observatory sichtbar wird:
- Treffen am WEF Der US-Konzern Honeywell, einer der zwölf weltweit grössten PFAS-Produzenten, nutzte das letztjährige WEF in Davos, um mit dem damaligen Vizepräsidenten der EU-Kommission Maroš Šefčovič 20 Minuten lang über PFAS zu reden und die üblichen Lobby-Argumente darzulegen. Nämlich dass es unterschiedlich gefährliche PFAS geben soll, sie unersetzlich seien und keine Energiewende möglich sei ohne PFAS.
- Umtriebigster Lobbyist mit Hauptsitz in der Schweiz Corporate Europe Observatory identifiziert die US-Firma Chemours als den aktivsten Lobbyisten in der ganzen PFAS-Lobby-Schlacht und zeigt detailliert dessen Taktiken auf. Die Firma hat ihren europäischen Hauptsitz in der Schweiz.
- Schweizer Konzern wird aktiv Der Schweizer Chemiekonzern Archroma aus Reinach BL hat letztes Jahr angefangen, die Ausgaben für EU-Lobbying zu deklarieren, und ist dem EU-Lobby-Register beigetreten. Das Unternehmen gehört zu den zwölf weltweit grössten PFAS-Produzenten.