Auf einen Blick
- Trinkgeld bleibt oft unbesteuert
- Mit der digitalen Zahlung gerät diese Praxis unter Druck
- Politikerinnen und Politiker fordern, dass Trinkgeld auch künftig unbesteuert bleibt
Grosszügiges aufrunden, ein «Stimmt so», oder ein paar Münzen auf den Tisch legen. Im Restaurant oder im Kaffee Trinkgeld zu geben, gehört zum guten Ton. Für die Service-Angestellten ist es aber mehr als ein Zeichen der Wertschätzung: Sie werden oftmals tief entlohnt, Trinkgelder können da wichtige Lücken im Budget schliessen.
Vor allem, weil das Bargeld direkt vom Tisch in die eigene Tasche fliesst. In der Buchhaltung der Gastrobetriebe taucht der Zustupf nicht auf – das Trinkgeld wird damit zum Schwarzgeld. Es werden also weder Steuern noch Abzüge darauf erhoben. Sprich: Den Angestellten bleibt am Ende des Monats mehr davon übrig.
Schwarzgeld unter Druck
Und das soll auch so bleiben, fordern Politiker von rechts bis links. Parlamentarierinnen und Parlamentarier von allen Parteien, ausser der SP, haben eine entsprechende Motion unterschrieben.
Das unversteuerte Trinkgeld ist momentan nämlich unter Druck. Schätzungsweise eine Milliarde Franken Trinkgeld fliesst jährlich von Kunden zu Angestellten. Bis anhin hat das die Behörden wenig interessiert, ausserdem sind die Regeln schwammig: Laut dem Steuergesetz müssen Trinkgelder als Einkommen gelten, sobald sie einen wesentlichen Teil des Lohnes ausmachen. Was genau ein «wesentlicher» Teil ist, wird allerdings nicht definiert.
Da Gäste immer häufiger mit Kreditkarte oder Bezahlapps zahlen, stellen sich plötzlich neue Fragen. Die Trinkgelder tauchen auf Abrechnungen auf und damit lässt sich nicht mehr so einfach über die Unklarheit im Gesetz hinwegsehen. Darum handelt auch das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV). Noch diesen Herbst will es entscheiden, wie es weitergehen soll.
Strafe für die ganze Branche
Die Parlamentarier wollen mit der Motion nun verhindern, dass es zu einer Verschärfung der Regeln kommt. Federführend ist Mitte-Nationalrat Vincent Maitre (43): «Besonders in der Gastronomie und Hotellerie ist es heute schwierig, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.» In den nächsten zehn Jahren werde das eine Herausforderung bleiben. Die Löhne seien schon jetzt tief – wenn man nun auch noch das Trinkgeld besteuere, würde das die ganze Branche bestrafen, so Maitre.
Eine Besteuerung würde aber nicht nur die Branche hart treffen, sondern auch die einzelnen Angestellten, die schon jetzt von tiefen Löhnen leben, so der Genfer.
Unterstützung kommt von links
Unterstützung erhält er dabei auch von linken Politikern und Politikerinnen, die eigentlich nicht bekannt dafür sind, Steuerausfälle zu unterstützen. Grünen-Nationalrat Nicolas Walder (58, GE) hat selbst die Hotellerie Fachschule in Lausanne absolviert und den Vorstoss mitunterzeichnet.
In der Schweiz gebe es keine Pflicht, Trinkgeld zu geben, so Walder. Wenn es jemand tut, sei das einfach guter Wille und könne nicht als Tauschhandel gewertet werden – und darum eben auch nicht als Lohn.
Dass Trinkgeldbezüger mit einer Versteuerung besser versichert wären und später eine höhere Rente erhalten würden, ist für Walder kein schlagendes Argument. Das Problem der tiefen Renten im Gastro-Gewerbe müsse mit einer grundsätzlicheren Reform der zweiten Säule angegangen werden.
«Geschenk des Gastes»
Auch der Branchenverband Gastro Suisse sieht das ganz ähnlich. Trinkgeld gehöre einzig den Mitarbeitenden, so der Verband auf Anfrage von Blick: «Sie sind eine freiwillige Zuwendung, ein Geschenk des Gastes für den besonders geschätzten Service.» Und somit gehören sie eben nicht zum Lohn, der versteuert wird.
Motion hin oder her – das BSV wird seine Entscheidung voraussichtlich bekanntgeben, bevor das Thema in den eidgenössischen Räten behandelt wird. Eine allfällige Verschärfung könnte das Parlament allerdings korrigieren, wenn der Vorstoss eine Mehrheit findet.