Bald ist er der höchste Schweizer – vor allem aber war er der Politiker mit der tiefsten Miete. Dass Blick 2018 den Spottpreis für die Einzimmerwohnung von Martin Candinas (41) in der Berner Altstadt publik machte, passte ihm gar nicht. Denn der Mitte-Nationalrat zahlte gerade einmal 200 Franken dafür. Für zwei Hunderter-Nötli dürfte man auch im Heimatkanton des Bündners kaum eine Wohnung finden. Inzwischen ist Candinas ausgezogen. Aber er sagt noch heute, dies sei der Artikel, der ihn in seinen zehn Jahren in Bern am meisten geärgert habe. «Der hat mich aufgeregt, gopfverd ...»
Jacqueline Badran (60) wiederum macht sich für günstigen Wohnraum stark – und für solche, die diesen brauchen. Die SP-Nationalrätin gehört bekanntlich nicht zu denen, die sich scheuen, einen wunden Punkt zu benennen und lauthals ihre Meinung zu sagen. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie die ruppige Zürcherin aus der Haut fährt, wenn sie sich mal so richtig ärgert.
Mehr Geld für weniger «Mist»
Bei «20 Minuten» dürfte es jemanden geben, der weiss, wie es ist, wenn Badran in Rage gerät. Die Politikerin schüttelt heute noch den Kopf über einen Artikel, in dem berichtet wurde, sie sei aus einem Club geworfen worden, weil sie trotz Rauchverbot geraucht habe. Und in dem behauptet wurde, sie habe gar gesagt: «Ich bin Nationalrätin, ich darf das.»
Und was folgert die Zürcherin daraus? Die Medien brauchen mehr Geld, damit «so ein Mist» nicht mehr vorkomme. In einem Werbe-Video für das Mediengesetz, das in den sozialen Medien verbreitet wird, lesen Parlamentsmitglieder wie die Genfer Grünen-Ständerätin Lisa Mazzone (34), der freisinnige Solothurner Nationalrat Kurt Fluri (66) und der Bündner Jon Pult (37) wie auch Candinas und Badran aus Artikeln vor, die sie wütend gemacht haben oder die unangenehm für sie waren. Sie sprechen sich für die Annahme des Mediengesetzes aus.
Wachhunde oder Schosshunde?
Die Parlamentsmitglieder rufen mit dem Video in Erinnerung, wie wichtig die Presse gerade für unser direktdemokratisches System ist. Auch wenn nicht alle Medienschaffenden Wachhunde und für einige gar nur Schosshunde sind, haben sie für die Parlamentsmitglieder eine wichtige Aufgabe inne. Damit Journalistinnen und Journalisten diese wahrnehmen können, will der Bund jährlich 150 Millionen Franken in die Stärkung von Zeitungen und Online-Portalen investieren.
Die Gegner des Mediengesetzes argumentieren derweil, mit den Staatsgeldern passiere genau das Gegenteil von dem, was man mit dem Gesetz bezwecke: Denn kein Hund beisse die Hand, die ihn füttere. Noch mehr Schosshunde also!
Bei Kritik klingelt nur das Telefon
So oder so: Eine Vergünstigung der Zustellungskosten gibt es für kleine Zeitungen schon heute. Deshalb sind deren Reporterinnen und Redaktoren nicht braver als jene von grossen Medien. Noch immer funktioniert unser System meist gut – und wenn nicht, kann das jeder kritisieren. In manch anderem Land verschwinden Kritiker auf Nimmerwiedersehen. Bei uns hat man höchstens mal Badran am Draht. (pt)