In der Mittagspause auf der Arbeit noch kurz den Piks holen. Corona-Impfungen direkt in Betrieben haben den Vorteil, dass die Mitarbeitenden leicht an einen Impftermin kommen und dafür nicht längere Zeit am Arbeitsplatz fehlen. Noch ist nicht genügend Impfstoff im Land, damit Unternehmen schweizweit ihre Angestellten impfen können. Doch die ersten Pilotprojekte für Betriebsimpfungen laufen bereits. «Impfaktionen in Firmen können gemäss Impfstrategie zeitgleich mit der breiten Bevölkerung umgesetzt werden», heisst es seitens des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Pilotprojekte werden laut dem Amt in Bern, Zürich, im Aargau und der Waadt durchgeführt.
Pilot bei SBB, BLS und Bernmobil
Im Kanton Bern starten die Betriebsimpfungen mit den Verkehrsunternehmen SBB, BLS und Bernmobil. Seit dem 5. Mai können sich die SBB-Mitarbeitenden schweizweit impfen lassen. «Die SBB haben Impfdosen für 4500 Mitarbeitende erhalten. Die Dosen werden in Lausanne, Bern, Olten, Zürich, St. Gallen und Bellinzona verabreicht», so eine SBB-Sprecherin. Priorität haben betriebs- und systemrelevante Berufsgruppen. Die anderen Mitarbeitenden können kurzfristig noch übrig bleibende Impfdosen erhalten.
«Wir warten nun die Betriebsimpfungen mit den ersten drei Unternehmen ab, bevor wir weitere Projekte starten», erklärt Gundekar Giebel von der Berner Gesundheitsdirektion. Weil die Betriebsimpfungen vor Ort logistisch sehr aufwendig seien, testet der Kanton ausserdem die Reservation von Impfterminen in den Impfzentren. «Seit Montag können sich auch Lehrpersonen impfen lassen. Das entspricht der Strategie der Gruppenimpfungen. Sie erhalten reservierte Impftermine im Impfzentrum Bern Expo», so Giebel zu Blick.
Impfung ausserhalb der Arbeitszeit
Die Impfungen bei der BLS und Bernmobil laufen ebenfalls bereits. «Seit letztem Montag können sich unsere Mitarbeitenden impfen lassen», sagt BLS-Sprecherin Tamara Traxler. Es gibt keine Unterscheidung nach Alter und Beruf. In Zusammenarbeit mit dem Kanton und einem Partner bietet die BLS Impfungen an einigen Büro- und Aussenstandorten an. Die BLS erhielt 2900 Impfdosen, das reicht für 1450 Mitarbeitende, gut die Hälfte der Belegschaft. Rund 1200 Personen hätten sich betriebsintern bei der BLS bereits angemeldet.
«Wir gehen davon aus, dass diese Impfdosen ausreichen sollten», so die Sprecherin weiter. Denn manche seien ja bereits geimpft, andere Mitarbeitende wollen oder können sich nicht impfen lassen. Somit bekommen alle, die sich bei der BLS piksen lassen möchten, anonym zwischen Mai und Juli einen Termin. Die Impfung selbst gilt dann allerdings nicht als Arbeitszeit.
Bis Ende Juni beide Impfungen
Bei Bernmobil haben die Impfungen am 11. Mai begonnen. Und bis Ende Juni sollen alle angemeldeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die zweite Impfdosis erhalten haben. «Die Mitarbeitenden können sich entweder in den Räumlichkeiten von Bernmobil oder der BLS impfen lassen», so Rolf Meyer von Bernmobil.
Doch nicht alle Verkehrsbetriebe kommen in den Genuss einer separaten Impfung. Die Gespräche zwischen Graubünden und der Rhätischen Bahn (RHB) kamen beispielsweise zu einem negativen Ergebnis. «Der Termin einer Betriebsimpfung käme nach Abschluss der Impfkampagne», sagt RHB-Sprecherin Yvonne Dünser. Die Mitarbeitenden sind somit rascher geimpft, wenn sie sich selbst auf herkömmlichem Weg für den Piks anmelden. Auch die Angestellten der Schweizerischen Südostbahn und die Verkehrsbetriebe Zürich profitieren nicht von Betriebsimpfungen.
Zürich hebt mit Zurich ab
In Zürich arbeitet man fürs Pilotprojekt mit dem Versicherungskonzern zusammen, der den Kantonsnamen im Firmennamen trägt: mit der Zurich Versicherung. Zwischen dem 17. und 19. Mai läuft das Projekt. 1000 Zurich-Mitarbeitende werden geimpft. «Ziel des Versuchs ist es herauszufinden, welche organisatorischen und logistischen Herausforderungen bei einer Massenimpfung sowohl von den Behörden als auch von den Unternehmen bewältigt werden müssen», heisst es bei der Versicherung.
Neben der Zurich und dem Ringier-Verlag, der auch den Blick herausgibt, haben weitere Unternehmen Interesse bekundet. Firmen mit mindestens 3000 impfbereiten Mitarbeitenden können sich bei der Zürcher Gesundheitsdirektion anmelden. Unternehmen mit mehr als 500 Impfwilligen können Termine in den Impfzentren vereinbaren. «Die Firmen müssen die Kühlkette für den Impfstoff sicherstellen, die Logistik und Abläufe beherrschen, geeignete Räumlichkeiten bereithalten sowie die Sicherheit der Mitarbeitenden garantieren können», skizziert die Sprecherin der Zürcher Gesundheitsdirektion Lina Lanz die Herausforderungen für impfwillige Betriebe.
Logistisch sehr aufwendig
Der Aargau steckt noch in der Planung der Pilotprojekte. Die Impfung in den Betrieben sei grundsätzlich erst möglich, wenn ein Überschuss an Impfstoff vorhanden ist. «Wann das der Fall ist, hängt von den Lieferungen der Impfstoffe ab und von der Impfbereitschaft der Bevölkerung», so das kantonale Gesundheitsdepartement.
Der Kanton Waadt reagierte nicht auf die Anfrage von Blick.
Dass die Kantone Pilotversuche mit ihren Verkehrsbetrieben durchführen, ist nachzuvollziehen. Das Funktionieren des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz ist zentral. Zudem sind die Wege zwischen den Kantonsbehörden und ihren ÖV-Unternehmen kurz.
Wäre es nicht sogar richtig, wenn alle Kantone Betriebsimpfungen bei ihren ÖV-Firmen prüften? «Natürlich ist es begrüssenswert, dass die Verkehrsbetriebe zusammenarbeiten. Weil allerdings alle Kantone unterschiedlich schnell mit Impfen sind, ist eine einheitliche Lösung gar nicht realistisch», findet Martin Candinas (40), Mitte-Nationalrat und Präsident des Informationsdienstes für den öffentlichen Verkehr, Litra.
Emmi winkt ab
Doch der logistische Aufwand von Betriebsimpfungen ist nicht zu unterschätzen. «Die Herausforderung sind die Anforderungen in Bezug auf die Lagerung und den Transport des Impfstoffs für die mobilen Teams. Zudem haben wir hohe Anforderungen bezüglich Persönlichkeitsschutz der Mitarbeitenden», sagt Nadine Berger von Health & Medical Services, die die Betriebsimpfungen in Bern organisiert.
Wie gross der Aufwand ist, verdeutlicht das Beispiel Emmi. Klang die Lebensmittelproduzentin vor wenigen Wochen noch optimistisch, hat Emmi nun ihre Meinung geändert: «Wir haben uns nach Abwägen aller Vor- und Nachteile gegen ein solches Angebot entschieden. Grund dafür war die hohe Komplexität in der Planung von Impfterminen, insbesondere von Schichtmitarbeitenden», sagt eine Emmi-Sprecherin. Ausserdem sind nicht alle Kantone mit dem Impfen gleich weit, was die Gleichbehandlung der Mitarbeitenden zusätzlich erschwere.