Falls kein Umdenken stattfindet
Bauern lehnen Renten-Reform in Schlussabstimmung ab

Das Parlament feilt an den letzten Details der Pensionskassen-Reform. Doch im Gewerbe brodelt es. Die Gastrobranche befürchtet massive Mehrkosten. Ebenso der Bauernverband, der die Reform in der Schlussabstimmung zur Ablehnung empfiehlt, falls kein Umdenken stattfindet.
Publiziert: 09.03.2023 um 11:31 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2023 um 15:44 Uhr
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Die Gastrobranche fürchtet sich vor massiven Mehrkosten durch die Pensionskassen-Reform.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Bei der Pensionskassen-Reform setzt das Parlament zum Schlussspurt an. Und es holpert nochmals kräftig auf den letzten Metern. «Was derzeit auf dem Tisch liegt, wird für unsere Branche wahnsinnig teuer», sagte Bauernverbandspräsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter (55, SG) kürzlich zu Blick. «Die Unzufriedenheit ist in verschiedenen Tieflohn-Branchen gross.»

Am Donnerstag hat der Vorstand des Bauernverbands nun entschieden, dass er die Vorlage in der Schlussabstimmung zu Ablehnung empfiehlt. Dies, sofern in der Differenzbereinigung der beiden Kammern nächste Woche «kein Umdenken stattfindet», wie Verbandssprecherin Sandra Helfenstein auf Anfrage erklärt.

Der aktuelle Vorschlag würde in der Landwirtschaft nämlich zu Mehrkosten für die berufliche Vorsorge von rund 70 Prozent führen. Ein Plus von 30 Millionen Franken. Eine Mehrheit der Vorstandsmitglieder habe diese Zusatzkosten «in der bereits angespannten wirtschaftlichen Situation der Bauernbetriebe als nicht mehr tragbar» erachtet, so Helfenstein.

Es brodelt in der Gastrobranche

Nicht nur bei den Bauern brodelt es, sondern auch in der Gastrobranche. Diese fürchtet sich vor den Mehrkosten, die insbesondere mit einer Senkung des sogenannten Koordinationsabzugs einhergeht. Je tiefer der Abzug, umso höher wird die versicherte Lohnsumme, auf die Arbeitgebende und Arbeitnehmende Beiträge bezahlen müssen.

Hier wehrt sich der Verband Gastrosuisse unter seinem Präsidenten Casimir Platzer: «Das Hauptproblem liegt beim Koordinationsabzug», heisst es in einem Schreiben an verschiedene Parlamentarier, das Blick vorliegt.

National- und Ständerat haben sich nämlich auf einen flexiblen Abzug von 20 Prozent geeinigt. Eine Variante, bei der das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr stimme. «Der Weg, den Sie jetzt einschlagen, bedeutet eine massive zusätzliche Belastung von bis zu 150 Millionen Franken», heisst es im Brief. Insgesamt müsste die Branche jährlich 250 Millionen mehr tragen. «Sie überspannen meines Erachtens den Bogen zu stark und die Mehrkosten sind für ganz viele Wirtschaftszweige nicht tragbar», so die Warnung. Solche Mehrkosten könne man in den eigenen Gremien «kaum durchbringen».

Ähnlich tönt es in den Reihen von Hotelleriesuisse. Eine abschliessende Haltung gibt es dort zwar noch nicht, der Grundtenor geht aber Richtung Ablehnung, wie ein Insider berichtet. «Die Reform wird sehr teuer – mit wenig Wirkung», lautet dessen Fazit. Es sei wohl vorteilhafter, die Vorlage zu versenken.

Die Gastroverbände werden ihre Kritik auch im Gewerbeverband einbringen, wo es ebenfalls skeptische Stimmen gibt.

Feilen an letzten Details

Nächste Woche wird im Parlament aber noch an den letzten Details gefeilt. Einer verbleibender Streitpunkt ist die Höhe der Eintrittsschwelle, ab welchem Einkommen der Pensionskassen-Eintritt obligatorisch wird. Der Ständerat möchte diese von heute 22'050 Franken auf 17'640 Franken senken. Damit würden rund 140'000 Personen neu und 60'000 Personen stärker versichert.

Die nationalrätliche Sozialkommission will die Grenze nun bei 19'845 Franken ansetzen – womit nur noch 70'000 Personen neu und 30'000 Personen zusätzlich versichert würden. Ein Vorschlag, den SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (44) eingebracht hat. «Es ist ein Kompromiss, mit dem wir mehr Leute versichern, der administrative Aufwand aber noch im Rahmen gehalten werden kann», sagt der Zuger. Ob er damit durchkommt, entscheidet sich am Montag im Nationalrat.

SVP will Vorlage unterstützen

Egal, welche Variante schliesslich obsiegen wird, dürfte es die BVG-Reform nächste Woche auch durch die Schlussabstimmung schaffen. Denn FDP, GLP und Mitte dürften der Vorlage mehrheitlich zustimmen. Bereits entschieden hat die SVP, wie Aeschi bestätigt: «Unsere Fraktion wird die Vorlage in der Schlussabstimmung unterstützen – das haben wir ohne Gegenstimme bei acht Enthaltungen beschlossen.»

In einer Volksabstimmung – SP und Gewerkschaften haben bereits das Referendum angekündigt – wird es die Vorlage aber schwer haben. Davon geht auch das Gastrosuisse-Schreiben aus: Ein Abstimmungskampf sei nur zu gewinnen, wenn alle bürgerlichen Parteien und alle Wirtschaftsverbände hinter einem mehrheitsfähigen Kompromiss stehen würden, heisst es. Und: «Sobald diese Allianz auch nur teilweise auseinanderbricht, haben wir meines Erachtens in einer Volksabstimmung keine Chance.»

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