Im Herbst mussten die Gewerkschaften bei der AHV-Abstimmung eine Schlappe einstecken. Doch mit der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) steht in der Frühlingssession schon die nächste Auseinandersetzung um die Altersvorsorge an. Ebenso stehen mehrere Initiativen zur Renten-Thematik an. Mittendrin in der Debatte: Gewerkschaftsbund-Präsident und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard (54, VD). Er wappnet sich bereits für den nächsten Rentenkampf.
Blick: Herr Maillard, bei der BVG-Reform geht es auf die Zielgerade. Am Donnerstag beschäftigt sich die nationalrätliche Sozialkommission mit dem Vorschlag des Ständerats. Bieten Sie nun endlich Hand zu einem Kompromiss?
Pierre-Yves Maillard: Wir hatten einen Kompromiss! Die Gewerkschaften haben mit den Arbeitgebern hart und fair verhandelt und eine Lösung gefunden, die der Bundesrat übernommen hat. Die bürgerlichen Parteien haben diesen Kompromiss vom Tisch gefegt. Ich werde in der Sozialkommission aber beantragen, auf den Sozialpartner-Kompromiss zurückzukommen.
Im Wissen darum, dass Sie damit scheitern. Und danach schalten Sie auf stur?
Mit dem Ständeratsvorschlag müssen Arbeitnehmende und Arbeitgebende jährlich drei Milliarden Franken zusätzlich an Beiträgen bezahlen. Im Gegenzug wird der Umwandlungssatz gesenkt. Das bedeutet eine generelle Rentensenkung. Das ist inakzeptabel.
Die Renten werden doch nicht für alle gesenkt. Besonders tiefere Einkommen und Teilzeitarbeitende können sich eine höhere Rente aufbauen.
Aber zu einem zu hohen Preis! Im Kompromiss war die Verbesserung der kleinen Renten durch eine moderate solidarische Lösung finanziert. Aber die rechten Parteien wollen diese Solidarität nicht und erhöhen stattdessen den versicherten Lohn massiv. Dann sinkt der Nettolohn teilweise um über fünf Prozent – gerade für Tieflöhner. Am Ende werden die Renten des Mittelstands sinken und die kleinen Einkommen viel mehr zahlen müssen. Sie werden von einer verbesserten Rente kaum profitieren, weil sie sowieso oft Ergänzungsleistungen beziehen müssen. Da machen wir nicht mit.
Dann rüsten Sie sich bereits für das Referendum?
Schon die Ständeratslösung ist schlecht – und im Nationalrat planen die Bürgerlichen eine weitere Verschlechterung. Mit der Zinswende werden die Renditen steigen, die Senkung des Umwandlungssatzes ist damit schlicht unnötig geworden. Unter diesen Umständen ist klar: Wir werden das Referendum ergreifen.
Ein Referendum bedeutet einmal mehr eine Blockade in der Rentenfrage.
Das wird das Volk entscheiden. Wir können gerne über eine BVG-Reform ohne Umwandlungssatzsenkung diskutieren. Zudem bieten wir mit der Initiative für eine 13. AHV-Rente eine rasche Lösung für bessere Renten. Die drei Milliarden Franken für höhere Lohnbeiträge aus der BVG-Reform sind in der AHV viel besser investiert. Hier profitieren alle Rentnerinnen und Rentner von einer Erhöhung.
Eigentlich wollten Sie die 13. AHV-Rente über die Nationalbank-Gewinne finanzieren. Mit dem 132-Milliarden-Franken-Verlust der Nationalbank sind die Ausschüttungsreserven aber dahin. Haben Sie sich verrechnet?
Die Nationalbank hat jahrelang Gewinne geschrieben. Der nun riesige Verlust ist historisch und war so nicht vorhersehbar.
Ihnen fehlt damit aber die Finanzierungsbasis für die 13. AHV.
Überhaupt nicht. Die Ausgangslage hat sich seit der Lancierung verändert. Mit der – von uns bekämpften – AHV-Reform fliessen jährlich zwei Milliarden Franken zusätzlich in die AHV-Kasse. Zusammen mit den drei Milliarden aus dem BVG ist mehr als genug Geld für die 13. AHV-Rente vorhanden.
Was heisst das für die Nationalbank-Initiative?
Die Angriffe der Bürgerlichen auf die Renten oder die Arbeitsbedingungen sind massiv. Wir müssen unsere Kräfte deshalb auf das BVG-Referendum konzentrieren. Allenfalls wird ein weiteres Referendum gegen die Aufweichung des Arbeitsgesetzes nötig. Deshalb müssen wir unsere Prioritäten neu setzen und brechen die Unterschriftensammlung für die Nationalbank-Initiative ab. Das hat der SGB-Vorstand am Mittwoch beschlossen.
Sie strecken einfach so die Waffen?
Wir haben zwar schon über 70’000 Unterschriften gesammelt und würden die Initiative auch zustande bringen. Das Nationalbank-Defizit hat die Unterschriftensammlung aber deutlich gebremst. Im aktuellen Umfeld ist es schwierig, mit diesem Projekt weiterzugehen. Aber in den nächsten Jahren kann es sich ändern.
Kommt der Abbruch nicht zu früh? Es ist ja möglich, dass die Nationalbank schon bald wieder hohe Gewinne schreibt.
Es bleibt für uns absolut richtig, dass hohe SNB-Gewinne in der AHV am richtigen Ort sind, weil alle davon profitieren. Wenn es so weit kommt, bringen wir das Thema wieder auf den Tisch. Dann werden wir das Projekt neu lancieren – und auch weiter fassen.
Inwiefern?
Die Nationalbank macht heute mit ihren Gewinnen, was sie will. Dabei schreibt die Bundesverfassung ganz klar vor, dass sie die Reingewinne zu mindestens zwei Dritteln an die Kantone ausschütten muss. Stattdessen hat sie die Gewinne jahrelang gehortet – und nun sind sie futsch. Unsere Initiative hätte das grundsätzlich nicht geändert. Ein neues Projekt sollte das thematisieren.
Dann greifen Sie die Unabhängigkeit der Nationalbank an?
Die Zentralbanken versuchen, jetzt explizit eine Rezession zu provozieren. Sie behaupten, die Inflation eliminieren zu wollen. Der Entscheid der SNB, kein Geld an die Kantone zu geben, geht genau in diese Richtung. Dann folgen schon die Sparprogramme. Das wird nicht ohne Debatten stattfinden.