Die Schweiz wird den Rahmenvertrag mit der EU in der jetzigen Form heute Freitag kaum unterschreiben. Das weiss auch Brüssel. Wie ein ranghoher EU-Diplomat einer Schweizer Gewährsperson mitteilt, sei man sich bewusst, dass Bern die Zugeständnisse in den drei offenen Punkten des institutionellen Abkommens nicht genügen. Zu gross ist mittlerweile die Opposition aus Politik, Wirtschaft und von den Gewerkschaften.
Für tot erklären mag man das Abkommen aber nicht. Hüben wie drüben besteht der Wille, auf politischer Ebene ernsthaft über die Weiterentwicklung des Abkommens oder eine Alternative zu reden. Darauf sollen sich die beiden Seiten beim Treffen von Bundespräsident Guy Parmelin (61) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) einigen.
Viele Baustellen
Die Schweiz wird auf die problematischen Punkte des Abkommens hinweisen – also auch auf die fremden Richter und die Guillotine-Klausel und darauf, dass sich die Gewerkschaften vehement gegen Lockerungen des Lohnschutzes wehren. Dennoch wird man den gemeinsamen Willen bekunden, doch noch zu einer Einigung zu gelangen.
Die deutsche CDU-Politikerin und der Schweizer SVP-Bundesrat kennen sich von Treffen in ihren früheren Funktionen: Beide waren sie in ihren Heimatländern Verteidigungsminister. Und so wie bei früheren Treffen ist auch jetzt damit zu rechnen, dass beide das Gesicht wahren können.
Wer will was in der Regierung?
Innenpolitisch wird das Europadossier skeptischer gesehen. Wie Politik und Wirtschaft ist auch der Bundesrat beim Rahmenabkommen gespalten. Was der dossierführende Aussenminister Ignazio Cassis (60) will, ist niemandem klar. Was aber alle wissen: Die beiden SVP-Bundesräte sind strikt gegen das Abkommen. Gemeinsam wüssten aber alle sieben Magistraten, dass der Vertrag in seiner jetzigen Form zum Scheitern verurteilt ist.
Wie eine gut informierte Quelle sagt, sei der Bundesrat mit sechs zu einer Stimme zum Schluss gekommen, es habe keinen Sinn, die technischen Verhandlungen ums Abkommen weiterzuführen. Das sehe auch Chefunterhändlerin Livia Leu (60) so.
Bundesrat muss die Analyse machen
Um mit Europa zu einer Lösung zu kommen, muss sich der Bundesrat klar darüber werden, was er will. Zusammen mit den Parteien in seinem Rücken und den Verbänden muss er dann analysieren, was realistischerweise mehrheitsfähig ist.
Denn: Gegen die SVP und die Gewerkschaften zusammen kann es kein Abkommen geben. Zusammen mit den kritischen Teilen von FDP und Mittepartei vermögen sie alle Zugeständnisse an die EU bachab zu schicken.
Es muss also gelingen, die Arbeitnehmerseite und mit ihr die SP an Bord zu holen. Mit dem Ruf nach einem «Fitnessprogramm» für die Wirtschaft mache die FDP aktuell gerade das Gegenteil, so die Linke.
Mehr zum Rahmenabkommen