Russland soll zumindest für den finanziellen Schaden aufkommen, den es mit seinem Angriffskrieg in der Ukraine anrichtet. Dafür soll auch die Schweiz sorgen. Sie soll sich nach dem Willen des Parlaments in die Debatte um völkerrechtliche Grundlagen für eine Konfiskation russischer Staatsvermögen einbringen. Dies hat der Ständerat am Donnerstag entschieden.
Mit 21 zu 19 Stimmen bei drei Enthaltungen nahm die kleine Kammer fünf gleichlautende Motionen aus dem Nationalrat an.
Russland soll für Schäden aufkommen
Der Motionstext verlangt vom Bundesrat Massnahmen, damit auf internationaler Ebene die völkerrechtlichen Grundlagen für einen Reparationsmechanismus erarbeitet werden. Dieser soll es erlauben, eingefrorene Gelder der Zentralbank eines Aggressors oder Vermögen von Staatsbetrieben rechtmässig an einen angegriffenen Staat zu überweisen.
Konkret ging es um Reparationszahlungen an die Ukraine aus russischem Staatsvermögen – und dabei namentlich um eingefrorene Gelder der russischen Zentralbank.
Der Nationalrat hatte die Vorstösse in der Herbstsession angenommen. Eingereicht hatten sie noch vor den Wahlen vom Oktober 2023 fünf Mitglieder der Nationalratsfraktionen von SP, Grünen, GLP, Mitte und FDP. Der Bundesrat war mit dem Auftrag einverstanden. Er kann sich nun an die Umsetzung machen.
Gegner sehen Völkerrecht verletzt
Die Rechtskommission des Ständerates (RK-S) beantragte mit 7 zu 5 Stimmen die Ablehnung der Motionen. Mehrheitssprecher Pirmin Schwander (SVP/SZ) sagte, es sei unbestritten, dass Staatsvermögen völkerrechtlich durch die Staatenimmunität geschützt seien. Es sei nicht im Interesse der Schweiz, dieses Prinzip zu verwässern.
Die Kommissionsmehrheit war zudem der Meinung, die Motionen seien unnötig, da sich die Schweiz schon heute an den Debatten auf internationaler Ebene über einen Reparationsmechanismus beteilige.
Das internationale Recht schütze die kleinen Staaten, nicht die grossen, befand Daniel Jositsch (SP/ZH): «Wir müssen das internationale Recht stärken.» Doch die Motionen und die bereits laufenden Bemühungen des Bundesrats gingen in die gegenteilige Richtung. «Deshalb mahne ich zur Vorsicht.»
Aus rechtlicher Sicht seien die Motionen abzulehnen, hob auch Beat Rieder (Mitte/VS) hervor. Es gehe dabei nicht um eine moralische Beurteilung: «Moralisch wollen wir alle der Ukraine helfen.»
Russland schädige ganze Staatengemeinschaft
Wie Jositsch gab auch Rieder zu bedenken, in Zukunft könnten auch Ansprüche an die Schweiz gestellt werden. Der Walliser Ständerat wies zudem auf zahlreiche offene Fragen im Zusammenhang mit Reparationen hin. Etwa sei unklar, wie ein Staat funktionieren solle, wenn ihm das dafür nötige Vermögen entzogen werde. Ebenfalls unklar sei, wie ein Staat zum Zahlen gezwungen werden könne, ohne dass man einen Krieg auslöse.
Minderheitssprecher Andrea Caroni (FDP/AR) hielt den Gegnern der Motionen entgegen, dass die Ukraine selbst auf russische Vermögenswerte zugreifen könne, sei nicht bestritten. «Wer einem anderen Staat widerrechtlich Schaden zufügt, der hat diesen zu ersetzen. Das ist ein Grundsatz.»
Der Ausserrhoder Ständerat skizzierte eine mögliche Argumentationslinie, wonach der russische Angriffskrieg nicht nur die Ukraine schädige, sondern die ganze Staatengemeinschaft, die ein Interesse am Frieden habe. Eventuell könne somit auch die Weltgemeinschaft Ansprüche an Russland zu stellen. Die Motion nehme dazu keine Antwort voraus, betonte Caroni.
Es gehe darum, den bestehenden Rechtsrahmen auszuloten und allenfalls weiterzuentwickeln, so der FDP-Politiker. Die Schweiz solle ihre Kompetenzen einbringen: «Wenn die Schweiz eine Fahne hochhalten kann, ist es die des Völkerrechts.» Caroni gab zudem zu bedenken, eine Ablehnung der Motionen wäre das problematischere Signal als eine Annahme.
Dass Moskau für die Kriegsschäden in der Ukraine aufkommen solle, sei auch der Wille der Uno-Vollversammlung, die Russland in einer Resolution als Aggressor bezeichnet habe, sagte Carlo Sommaruga (SP/GE). Die Diskussionen auf internationaler Ebene seien schon im Gang. (SDA)