Oberste Lehrerin und Schulleiter-Chef über Personalmangel und Massnahmen-Chaos
«Sind längst in einer Notfallsituation»

Die Omikron-Welle stellt die Schulen im Land vor grosse Herausforderungen. Vor allem der Lehrkräftemangel wird zum Problem.
Publiziert: 09.01.2022 um 19:32 Uhr
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Auch den Schulen machen die aktuell hohen Fallzahlen zu schaffen.
Foto: Keystone
Dana Liechti

Omikron hat die Schweiz im Griff. Die Fallzahlen sind rekordhoch, Zehntausende sind in Quarantäne, die Labors kommen an ihre Kapazitätsgrenzen. Mittendrin: die Schulen, an denen nach den teilweise verlängerten Weihnachtsferien nun wieder Präsenzunterricht gilt.

Auch ihnen machen die hohen Fallzahlen zu schaffen. Nicht nur, weil immer wieder Kinder oder gar ganze Klassen in Quarantäne geschickt werden müssen, sondern auch wegen drohender Engpässe beim Personal. Es sei aktuell, wie in vielen anderen Berufsgruppen auch, ein Leben im Ungewissen, sagt Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Man wisse nie so genau, wer anwesend sei, überhaupt noch komme oder morgen vielleicht fehlen werde.

Fehlende Stellvertretungen

«Wir müssen mit gleichzeitigen Ausfällen von mehreren Lehrpersonen rechnen», sagt auch Thomas Minder, Präsident des Verbandes Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz (VSLCH). «Damit verbunden entsteht die Schwierigkeit, Stellvertretungen finden zu können.» Momentan sei es extrem schwierig, schon nur vereinzelt Stellvertretungen zu finden, sagt Minder. Das bestätigt auch Dagmar Rösler. «Wir sind längst in einer Notfallsituation angekommen», sagt sie. «Da der Personalmangel an den Schulen bereits seit einigen Jahren akut ist, sieht man sich nun an den Schulen vor grossen Herausforderungen.» Vielerorts seien bereits alle Stellvertretungen eingesetzt. Ausserdem würden die Lehrpersonen füreinander in die Bresche springen und sich gegenseitig vertreten. Viele erhöhen auch ihr Pensum, um den Unterricht am Laufen zu halten. Aber nicht nur die Lehrkräfte sind einer hohen Belastung ausgesetzt, auch für die Schulleitungen sei die aktuelle Situation schwierig, sagt Thomas Minder. «Die Schulleitungen, die Stellvertretungen suchen müssen, sind seit Wochen argen Belastungen ausgesetzt. Sie haben teilweise über Wochenenden hinweg gearbeitet. Das zu stemmen, ist ab und zu möglich, aber es wurde leider zu einem Dauerzustand.»

Ungeschultes Assistenzpersonal

Hinzu kommt, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter im Land in der Not auch Assistenzpersonal oder Personen ohne pädagogischen Hintergrund einsetzen müssen, damit überhaupt noch jemand vor der Klasse steht. «Falls es nicht gelingt, Stellvertretungen zu finden, müssen die Schulen in der Betreuung – denn von Beschulung kann dann nicht mehr gesprochen werden – der Schülerinnen und Schüler kreativ werden», sagt Thomas Minder. Allerdings würden in solchen Fällen Personen hinzugezogen, die bekannt seien und als geeignet erachtet würden, «in dieser Extremsituation die Betreuung der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten», betont der oberste Schulleiter.

Bildungsverbände fordern gleiche Massnahmen

Aber nicht nur drohende und teilweise schon bestehende Engpässe beim Personal belasten den Schulunterricht aktuell. Auch die unterschiedlichen Schutzmassnahmen in den Kantonen und teilweise gar Gemeinden erschweren den Alltag an den Schulen nach wie vor. So führen manche Kantone (wieder) Massentests durch, während die anderen (neu) darauf verzichten. In manchen gilt bereits für sehr junge Schülerinnen und Schüler eine Maskenpflicht, während andere auf Primarschulstufe komplett darauf verzichten. Unter diesem Durcheinander leide nicht nur die Glaubwürdigkeit der Schutzmassnahmen, sagt Thomas Minder. Es führe auch zu einer stärkeren Opposition dagegen.

Anliegen werden ignoriert

Die Bildungsverbände fordern denn auch seit langem, dass an den Schulen im ganzen Land die gleichen Massnahmen gelten sollen. Bisher jedoch ohne Gehör. Die Geduld verlieren kommt für Thomas Minder trotzdem nicht infrage. «Dann würden wir ja aufgeben. Wir versuchen klarzumachen, dass es für uns in den Schulen im täglichen Leben essenziell ist, dass die Massnahmen mitgetragen werden. Die unterschiedlichen Schutzmassnahmen in den vielen Kantonen bewirken das Gegenteil.»

Auch Dagmar Rösler hofft weiterhin auf ein Eintreten der Behörden auf ihre Forderung nach einem einheitlichen Massnahmenkonzept an den Schulen. Das alleine würde das Leben vieler Lehrkräfte und Schulleitungen im Land schon vereinfachen.

Aber so oder so, betont Rösler, versuchten Lehrerinnen und Lehrer nach wie vor eine möglichst unbeschwerte und normale Lernsituation für ihre Schülerinnen und Schüler zu schaffen – trotz allem.

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