Neue EU-Vorschrift zur Säuli-Haltung
Schweizer Bio-Bauern sträuben sich gegen mehr Tierwohl

Dank der EU sollen Schweizer Bio-Schweine mehr Auslauf bekommen. Doch der Plan des Bundesrats stösst bei den Bauern auf Widerstand: Sie wehren sich gegen mehr Tierwohl im Stall.
Publiziert: 22.05.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2024 um 08:13 Uhr
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1,65 Quadratmeter Fläche pro Bio-Schwein ist in der Schweiz vorgeschrieben.
Foto: Thomas Meier
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Lea HartmannRedaktorin Politik

In der Schweiz leben Tiere besser als in der EU? Für Bio-Schweine gilt das nicht in jeder Hinsicht. Sie müssen hierzulande mit viel weniger Platz auskommen als ihre europäischen Artgenossen. Seit die EU 2022 die Bio-Standards verschärft hat, hat ein Schwein dort mindestens 1,9 Quadratmeter zur Verfügung, ein ausgewachsenes sogar 2,3 Quadratmeter. In der Schweiz hingegen sind nur 1,65 Quadratmeter Mindestfläche vorgeschrieben.

Nun sollen auch die Schweizer Säuli mehr Raum zum Suhlen, Fressen und Schlafen bekommen. Der Bund will die Schweizer Bio-Richtlinien jenen der EU angleichen. 1,9 Quadratmeter pro Schwein sollen es künftig sein. Aufgrund eines Abkommens mit der EU ist der Bundesrat zur Anpassung verpflichtet.

Bio-Anteil ist verschwindend klein

Die Biobauern, überrumpelt von den Plänen des Bundes, wehren sich gegen mehr Platz im Schweinestall. In einer Stellungnahme zuhanden des Bundesrats warnen sie, dass dadurch die Bio-Schweineproduktion in der Schweiz gefährdet sei. Mehr Fläche pro Schwein bedeute höhere Kosten. Das führe dazu, dass viele Bio-Schweinebauern den Bettel hinwerfen würden, so die Befürchtung des Verbands Bio Suisse. Und grössere Ställe zu bauen, sei nicht so einfach – und vor allem nicht so schnell möglich. Der Bundesrat will den Bauern fünf Jahre zur Umstellung geben.

Andreas Bracher sagt, dass Bio-Schweinebauern für die gleiche Anzahl Mastschweine 15 bis 19 Prozent mehr Fläche bräuchten. Der Schweinezüchter aus dem Kanton Bern ist Präsident der Interessengemeinschaft Bio-Schweine Schweiz. Schon heute ist der Marktanteil verschwindend klein, gibt Bracher zu bedenken: Gerade einmal 2,5 Prozent des gesamten Schweinefleischs, das in der Schweiz produziert und verkauft wird, ist Bio.

«Es geht Schweizer Bio-Schweinen nicht schlechter»

Dieses kostet gut und gern doppelt so viel wie ein konventionelles Stück Fleisch. Gerade auch deshalb dürften viele Konsumentinnen und Konsumenten wenig Verständnis dafür haben, dass sich die Bio-Produzenten gegen bessere Tierhaltungsstandards sträuben. Bio Suisse ist sich dessen bewusst. Doch man müsse eine Gesamtbetrachtung machen, sagt Sprecher David Herrmann. «In der Schweiz beispielsweise gilt, dass alle Bereiche des Betriebs biologisch geführt werden müssen, das ist in der EU nicht so.»

Schweinebauer Bracher ist überzeugt: «Die Grösse des Stalls ist nicht matchentscheidend.» Vielmehr sei wichtig, wie sich die Tiere beschäftigen können, und was sie zu fressen bekommen. «Insgesamt geht es Schweizer Bio-Schweinen sicher nicht schlechter als jenen in der EU», sagt er. Man müsse auch beachten, dass Schweizer Bio-Schweine schon bei einem geringeren Gewicht geschlachtet werden als in den EU-Staaten.

Mehr Platz führe nicht automatisch zu glücklicheren Schweinen, sondern zu dreckigeren Ställen, bringen die Schweinezüchter gegenüber dem Bund vor. Denn die Tiere lägen gern nah beieinander. Den ungenutzten Platz würden sie nutzen, um ihr Geschäft zu machen – was mehr Gestank und Dreck zur Folge habe. Das schade der Tiergesundheit.

Bio-Bauern hoffen auf Gnade

Im Gespräch mit Andreas Bracher ist der Frust unüberhörbar. Immer mehr Auflagen, Produzentenpreise unter Druck und Kunden, die sich Ferien leisten können, aber anscheinend kein Biofleisch: Das macht dem Schweinebauer zu schaffen. Früher sei sein Ziel gewesen, dass der Bio-Anteil von Schweinefleisch steigt. «Jetzt wäre ich schon zufrieden, wenn er nicht sinkt.»

Die Bio-Branche hofft, dass der Bund Verständnis für ihre Probleme zeigt und eine Lösung sucht. Eine Lösung, die die EU zufriedenstellt – und die Bio-Schweinebauern nicht weiter in Bedrängnis bringt.


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