Weniger Gift in Wasser und Böden. Das ist das Ziel des Massnahmenplans gegen Pestizide, den das Parlament vor vier Jahren verabschiedet hat. Zähneknirschend hatte sich die Agrarlobby damals dahinter gestellt, um ein Ja zu den viel weitergehenden Pestizid-Initiativen zu verhindern.
Doch nun, wo die Gefahr abgewandt ist, ziehen der Bauernverband und seine Verbündeten dem Massnahmenpaket nach und nach die Zähne. Eben erst konnte Bauernverbandspräsident Markus Ritter (57) seinen jüngsten Erfolg feiern: Auf Druck der Bauern verschiebt der Bund die Einführung der Meldepflicht für den Pestizid-Verkauf und -Einsatz.
Transparenz vertagt
Die Massnahme sollte mehr Transparenz bringen. Wer spritzt wo, wann, wogegen und wie viel? Schon jetzt müssen Bauern zwar Buch führen über ihren Pestizid-Einsatz, doch die Daten fliessen nirgends zentral zusammen. Das aber wäre für Parlament und Bundesrat wichtig, um beurteilen zu können, wie wirksam die getroffenen Massnahmen sind.
Im März hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) entschieden, die Einführung der Meldepflicht um ein Jahr zu verschieben. Erst ab 2027 müssen die Bäuerinnen und Bauern dem Bund die Pestizid-Daten abliefern. Ausserdem geht die Transparenz viel weniger weit als eigentlich vorgesehen – zumindest in den ersten Jahren. Wobei das BLW schon jetzt auf ihrer Homepage durchblicken lässt, dass aus der Ausnahme die Regel werden könnte. Und dass die umfassende Meldepflicht, wie sie die Politik beschlossen hat, möglicherweise gar nie umgesetzt wird.
Trinkwasser-Hüter bedauern Verzögerung
Umweltverbände werfen dem Bund vor, vor der Agrarlobby eingeknickt zu sein. «Das BLW hat – wohl auf massivsten Druck – den Elan und die Überzeugung verloren, die Meldepflicht wie vorgesehen umzusetzen», sagt Marcel Liner (53) Landwirtschaftsexperte von Pro Natura. Auch in den Kantonen bedauert man den Entscheid. «Für die kantonalen Umweltämter ist es aus unserer Sicht wichtig, dass eine Meldepflicht für Pestizide und Nährstoffe eingeführt wird», sagt Christoph Moschet (38), Leiter Wasseranalytik beim interkantonalen Labor der beiden Appenzell und Schaffhausen. Um die Wasserqualität sicherzustellen, sei für sie sehr wichtig, dass der Pestizid-Einsatz ganz genau erfasst wird.
Die Bauern hingegen warnen vor einem Bürokratiemonster, das auf sie zukommt. «Gerade für uns Gemüseproduzenten, die viele verschiedene Kulturen anpflanzen, ist die Meldepflicht ein massiver administrativer Aufwand», sagt Simon Lässer (37) vom Gemüseproduzenten-Verband. Vor allem, weil man technisch noch nicht so weit sei. Es fehlten Schnittstellen, damit die Bauern die gleichen Daten nicht in mehrere Programme eintragen müssen. Das BLW begründet die Verschiebung denn auch damit, dass man der Branche Zeit geben wolle, sich auf die Meldepflicht vorzubereiten.
Nächster Sieg ist absehbar
Damit hat sich der oberste Bauer Ritter einmal mehr durchgesetzt. Und der nächste Triumph für die mächtige Agrarlobby ist absehbar. Im Juni dürfte der Ständerat eine neue Pflicht für mehr Öko-Flächen definitiv bachab schicken. Auch sie ist Teil des Massnahmenplans, um die Pestizid-Risiken für die Umwelt zu senken. Doch schon zweimal wurde deren Einführung um ein Jahr verschoben. Nun dürfte sie wieder aus dem Gesetz gekippt werden, bevor sie in Kraft tritt.
Verzögern, verwässern, verhindern: Auf diese Taktik setzt die bürgerliche Bauernmacht im Parlament nicht nur beim Thema Pestizide. Eine weitere Massnahme zum Schutz der Umwelt ist die Schleppschlauch-Pflicht. Damit kann der Dünger gezielter ausgebracht werden. Mehrfach hatte die Bauernlobby versucht, auch diese neue Verpflichtung zu verschieben und ganz zu kippen. Erfolglos. Anfang Jahr trat sie mit zwei Jahren Verspätung in Kraft.
Doch die bürgerlichen Landwirtschafts-Vertreter im Parlament geben nicht auf: Ein nächster Abschaffungs-Versuch ist bereits lanciert. Werden sie sich am Schluss auch hier durchsetzen?