Ex-Armeechef André Blattmann (65) schlägt Alarm! Er befürchtet, dass das Sechs-Milliarden-Paket für neue Kampfjets andere nötige Investitionen der Schweizer Armee auf Jahre hinaus blockieren könnte. Denn: Nach seinen Berechnungen dürften die Gesamtkosten über eine Betriebszeit von 30 Jahren deutlich höher ausfallen als bisher angenommen. Das geht aus seinem Analysepapier hervor, das am Montag den Weg an die Öffentlichkeit fand.
Wie teuer die Jets die Steuerzahler zu stehen kommen, war schon im Abstimmungskampf vergangenen Herbst umstritten. Denn die Beschaffungskosten sind nur ein Teil der Rechnung. Das Verteidigungsdepartement VBS nannte bisher ein Total von 18 Milliarden Franken. Zu den geplanten Beschaffungskosten von sechs Milliarden kämen damit über die gesamte Nutzungszeit rund zwölf Milliarden für den Betrieb hinzu.
Sogar das VBS nannte früher andere Zahlen
Für die Gegner ist diese Rechnung «schlicht beschönigend». Sie gingen bisher von gegen 24 Milliarden Franken aus und beriefen sich dabei auf Erfahrungswerte bei Kampfjet-Beschaffungen aus dem Ausland. Die Anbieter würden den Kaufpreis für ihre Jets jetzt so tief wie möglich drücken, um das Rennen zu gewinnen. Dafür dürften dann die Betriebskosten eher dreimal so hoch sein wie der Kaufpreis.
Tatsächlich hatte schon 2009 der damalige Rüstungschef Jakob Baumann in der «NZZ» erklärt: «Die Lebenswegkosten, das zeigt die Erfahrung, machen das Drei- bis Vierfache des reinen Beschaffungsaufwands aus.»
Ex-Armeechef kommt auf knapp 28 Milliarden
Ex-Armeechef Blattmann rechnet gar mit noch höheren Kosten als die Kampfjet-Gegner. «Die Erfahrungswerte für komplexe Systeme der Armee zeigen, dass nachweislich (!) mit ca. zwölf Prozent Betriebskosten p.a. zu rechnen ist», schreibt er in seinem Papier – dies unter dem vielsagenden Titel «Falsche Angaben zu den Betriebskosten».
Nach seiner Rechnung kämen die jährlichen Betriebskosten auf 720 Millionen, gerechnet auf 30 Jahre sind das 21,6 Milliarden. Zusammen mit den Beschaffungskosten kommt man so auf satte 27,6 Milliarden – fast zehn Milliarden mehr, als das VBS offiziell angibt.
Das sorgt erneut für Wirbel – ausgerechnet kurz bevor der Bundesrat um Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) entscheidet, welchen der vier zur Auswahl stehenden Kampfjet-Typen die Schweiz kauft. Das VBS soll dabei den umstrittenen US-Tarnkappenjet F-35 favorisieren.
Das VBS will von den Zahlen des Ex-Armeechefs nichts wissen. «Wir können diese Rechnung nicht nachvollziehen», sagt VBS-Sprecher Lorenz Frischknecht. Das Departement geht nach wie vor von der Faustregel aus, dass die über 30 Jahre aufgerechneten Betriebskosten etwa doppelt so hoch ausfallen dürften wie die Beschaffungsausgaben. Damit bewege man sich in einem ähnlichen Rahmen wie bei den heutigen Kampfflugzeugen.
«Muss Zahlen von Blattmann ernst nehmen»
Während sich bürgerliche Sicherheitspolitiker lieber gar nicht äussern möchten, kommt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (52) zu ganz anderen Schlüssen. «Man muss die Zahlen von Ex-Armeechef Blattmann absolut ernst nehmen», betont sie. Damit werde bestätigt, was die Gegner immer befürchtet hätten. «Sogar das VBS ging bei den Betriebskosten lange von dreimal so hohen Zahlen wie bei den Beschaffungskosten aus und ruderte erst auf den Abstimmungskampf hin zurück.»
Das sieht Jonas Kampus von der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) genauso. «Die neuen Zahlen bestätigen genau unsere Bedenken – und das vom ehemaligen Armeechef, der vertieft Einblick hat», sagt er. «Der Bundesrat würde daher gut daran tun, die Zahlen ernst zu nehmen.»
Der Bundesrat wird sich am Mittwoch mit der Kampfjet-Wahl befassen. Auch in der Regierung selber ist noch mit einigen Diskussionen zu rechnen. Insider gehen deshalb davon aus, dass der definitive Entscheid erst kommende Woche fallen wird.
SP-Nationalrätin Seiler Graf hofft, dass der Bundesrat dabei die neuen Zahlen berücksichtigt und sich zum Beispiel für weniger Jets entscheidet. «Sonst wäre ich von dem Gremium sehr enttäuscht», sagt sie. Spätestens aber im Parlament würden die Gesamtkosten auf jeden Fall zum Thema werden.