Nationalrat fordert einen Gegenvorschlag
Renten-Initiative auf Messers Schneide

Bundesrat und Ständerat hatten die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen bereits abgelehnt. Und auch im Nationalrat sah es lange nicht gut aus. Nun aber soll die Vorlage zurück an die vorberatende Kommission, um einen Gegenvorschlag zu erarbeiten.
Publiziert: 05.06.2023 um 20:38 Uhr
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Ins Leben gerufen haben die Initiative die Jungfreisinnigen unter Präsident Matthias Müller.
Foto: Philippe Rossier
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Die Renten-Initiative war auch im Nationalrat schon so gut wie gescheitert. Ein Rückweisungsantrag an die Kommission, um das Anliegen neu aufzugleisen, war am Montagabend bereits abgelehnt. Hauchdünn mit 90 gegen 89 Stimmen bei einer Enthaltung.

FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (29) rettete die Vorlage in Extremis mit einem Ordnungsantrag. Es seien bei der Abstimmung Plätze leer gewesen, die nun nicht mehr leer seien. Und tatsächlich: Im zweiten Anlauf kam der Antrag mit 93 zu 92 Stimmen bei zwei Enthaltungen durch.

Wenig sprach noch für die Initiative

Zwar will nach dem Bundesrat und dem Ständerat auch der Nationalrat das AHV-Alter nicht an die Lebenserwartung koppeln. Er hat die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen ebenfalls abgelehnt. Gleichzeitig möchte eine hauchdünne Mehrheit von der vorberatenden Kommission aber zumindest eine Schuldenbremse in der AHV als indirekten Gegenvorschlag erarbeiten lassen.

Wenig hatte vor der heutigen Ratsdebatte darauf gedeutet, dass es derart eng werden könnte. Der Bundesrat hatte von der Initiative gar nichts wissen wollen – und von einem Gegenvorschlag genauso wenig. Auch der Ständerat hatte die Initiative im März deutlich abgelehnt. Nach dem Volks-Ja zur AHV-21-Vorlage hielten viele eine erneute Anpassung des Rentenalters nicht für angebracht.

AHV-Schuldenbremse soll die Rettung bringen

Gehts nach den Jungfreisinnigen, arbeiten wir schon bald bis 66 Jahren – oder noch länger. Die Renten-Initiative der Jungpartei fordert eine Erhöhung des Rentenalters für beide Geschlechter. In einem ersten Schritt soll es von 65 auf 66 Jahre steigen, und anschliessend an die Lebenserwartung gekoppelt werden: Pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung soll es um 0,8 Monate steigen.

Bundesrat Alain Berset (51) warnte, dass ein solcher Automatismus dem Parlament und dem Stimmvolk zu viel Spielraum entziehen würde. Es brauche einen Mix an Massnahmen. Der Ständerat teilt diese Bedenken.

Auch den Befürwortern war klar, dass die Renten-Initiative im Nationalrat ebenfalls einen schweren Stand haben wird. Um zu retten, was zu retten ist, schlugen FDP und GLP vor, die Vorlage an die zuständige Kommission zurückzuweisen – verbunden mit dem Auftrag, als indirekten Gegenvorschlag eine Vorlage für eine AHV-Schuldenbremse auf Gesetzesstufe auszuarbeiten.

«Werden keine Massnahmen ergriffen, kippt die AHV-Rechnung ins Minus», argumentierte FDP-Nationalrätin Regina Sauter (57). «Wir müssen Verantwortung übernehmen und dürfen nicht einfach warten und hoffen.» In die gleiche Kerbe hieb GLP-Kollegin Melanie Mettler (45).

Das Thema AHV lässt die Wogen nach wie vor hochgehen. 44 Rednerinnen und Redner hatten sich angekündigt. Im Wahljahr will kaum jemand freiwillig auf die Plattform verzichten. Vier Stunden lang dauerte die Debatte.

«Das Timing der Initiative könnte schlechter nicht sein»

Die Mitte stehe zu ihrem Versprechen, betonte Christian Lohr (61). Die Stimmbevölkerung habe erst im letzten Herbst Ja zur Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre gesagt. Ab nächsten Jahres wird es nun schrittweise demjenigen der Männer angeglichen. Daher solle es jetzt nicht bereits wieder zu einer weiteren Erhöhung kommen.

«Das Timing der Initiative könnte schlechter nicht sein», fand auch SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (44). Die Initiative würde nochmals eine saftige Rechnung für die Menschen bedeuten, während viele schon an schwindender Kaufkraft litten, weil Mieten steigen oder Krankenkassenprämien steigen.

Auch für SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (44) würde mit einem Erhöhungs-Automatismus beim Rentenalter «das Fuder definitiv überladen». Zudem habe das Parlament den Bundesrat ohnehin bereits damit beauftragt, bis Ende 2026 eine Lösung vorzulegen, um die AHV nachhaltig zu stabilisieren.

Die Sorge um die nachhaltige Finanzierung der Altersvorsorge überwog bei FDP, GLP und SVP letztlich aber doch – wenn auch nur hauchdünn. Der zuständigen Kommission steht nun viel Arbeit bevor.

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