Nationalrat entscheidet – Soziologin sagt: «Abschaffung war ein Fehler»
Kommt jetzt der Doppelname zurück?

Das Parlament wollte die Gleichstellung fördern, als es 2013 den Doppelnamen abschaffte. Doch der Plan ging in die Hose. Jetzt nimmt Bundesbern einen neuen Anlauf für ein modernes Namensrecht.
Publiziert: 13.03.2024 um 09:45 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2024 um 10:36 Uhr
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Die ehemalige SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer hatte einst den Anstoss für ein neues Namensrecht gegeben.
Foto: KARL-HEINZ HUG
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Die Paare kennen die Antwort meist, und trotzdem hört der Zürcher Zivilstandsbeamte Roland Peterhans (60) die Frage immer wieder: «Gälled Sie, Doppelnamen – die gibt es nicht mehr?»

In den Worten schwingt Bedauern mit. Viele Heiratswillige, vor allem Frauen, trauern der Möglichkeit nach, der ehelichen Verbundenheit mit einem Doppelnamen Ausdruck zu verleihen. Seit 2013 ist es nicht mehr möglich, den Nachnamen des Partners vor den eigenen zu stellen, zumindest offiziell nicht. Auf Pass oder ID kann man zwar einen sogenannten Allianznamen eintragen lassen, die Variante mit Bindestrich – zum Beispiel Karin Keller-Sutter. Doch im Register steht nur ein Nachname – im Fall der Bundesrätin Keller. Wer heiratet, muss sich also entscheiden: den eigenen Namen behalten oder den des Partners annehmen?

Oberster Zivilstandsbeamter fordert Liberalisierung

Nun aber steht der Doppelname vor dem Comeback. Am Donnerstag berät der Nationalrat über ein neues Namensrecht. Künftig sollen Frau und Mann viel mehr Wahlmöglichkeiten haben als bisher – auch was den Nachnamen gemeinsamer Kinder anbelangt (siehe Textkasten). Peterhans hat sich den Morgen extra frei gehalten, um die Debatte mitzuverfolgen. Der Präsident des Schweizerischen Verbands für Zivilstandswesen findet das heutige Recht «völlig unbefriedigend». Und sagt: «Es braucht eine Liberalisierung!»

Das soll künftig alles möglich sein

Heute haben Paare, die heiraten, nur zwei Optionen: Den Namen behalten oder den des Partners oder der Partnerin übernehmen. Der Vorschlag, der nun auf dem Tisch liegt, will zahlreiche weitere Möglichkeiten schaffen.

Nehmen wir an, Herr Hoxha und Frau Ferrari geben sich das Ja-Wort. Geht es nach der Rechtskommission des Nationalrats, hat die Frau künftig folgende Namens-Optionen: Ferrari, Hoxha, Ferrari-Hoxha oder Ferrari Hoxha. Dasselbe gilt für den Mann. Der Bundesrat will sogar noch einen Schritt weitergehen und auch die Reihenfolge der Nachnamen den Paaren überlassen. Möglich wäre dann also auch Hoxha-Ferrari und Hoxha Ferrari.

Auch Kinder sollen künftig einen Doppelnamen tragen können – völlig unabhängig davon, ob die Eltern einen oder zwei Nachnamen haben. Es spielt auch keine Rolle, ob sie verheiratet sind.

Zudem sollen Paare, die bereits verheiratet sind oder in eingetragener Partnerschaft leben, unkompliziert auf einen Doppelnamen wechseln können. Ebenso minderjährige Kinder.

Die Überarbeitung des Namensrechts geht auf einen Vorstoss von alt SVP-Nationalrat Luzi Stamm (71) zurück. Dass es eine Reform braucht, ist beinahe unbestritten – die Frage ist, wie weit man dabei gehen will. Nach dem Nationalrat wird sich der Ständerat über die Vorlage beugen.

Heute haben Paare, die heiraten, nur zwei Optionen: Den Namen behalten oder den des Partners oder der Partnerin übernehmen. Der Vorschlag, der nun auf dem Tisch liegt, will zahlreiche weitere Möglichkeiten schaffen.

Nehmen wir an, Herr Hoxha und Frau Ferrari geben sich das Ja-Wort. Geht es nach der Rechtskommission des Nationalrats, hat die Frau künftig folgende Namens-Optionen: Ferrari, Hoxha, Ferrari-Hoxha oder Ferrari Hoxha. Dasselbe gilt für den Mann. Der Bundesrat will sogar noch einen Schritt weitergehen und auch die Reihenfolge der Nachnamen den Paaren überlassen. Möglich wäre dann also auch Hoxha-Ferrari und Hoxha Ferrari.

Auch Kinder sollen künftig einen Doppelnamen tragen können – völlig unabhängig davon, ob die Eltern einen oder zwei Nachnamen haben. Es spielt auch keine Rolle, ob sie verheiratet sind.

Zudem sollen Paare, die bereits verheiratet sind oder in eingetragener Partnerschaft leben, unkompliziert auf einen Doppelnamen wechseln können. Ebenso minderjährige Kinder.

Die Überarbeitung des Namensrechts geht auf einen Vorstoss von alt SVP-Nationalrat Luzi Stamm (71) zurück. Dass es eine Reform braucht, ist beinahe unbestritten – die Frage ist, wie weit man dabei gehen will. Nach dem Nationalrat wird sich der Ständerat über die Vorlage beugen.

Das findet auch die ehemalige SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (76). Sie war die erste Parlamentarierin mit Doppelnamen. Und ausgerechnet sie war es, die vor über 20 Jahren im Nationalrat den Anstoss für die Abschaffung des Doppelnamens gegeben hatte.

Ihre Forderung damals lautete: Gleichstellung bei der Namenswahl. Denn ursprünglich waren Doppelnamen nur für Frauen eine Option – als Alternative dazu, den eigenen Namen komplett aufzugeben. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs 1994 ermöglichte es dann auch Männern, einen Doppelnamen zu tragen.

Weniger statt mehr Gleichstellung

Das Parlament beschloss daraufhin, Doppelnamen gleich ganz zu streichen. Elf Jahre danach zeigt sich: Der Schuss ging nach hinten los. Die Abschaffung der Doppelnamen war der Gleichstellung nicht förderlich – im Gegenteil. Ein Bericht der Rechtskommission des Nationalrats kommt zum Schluss: «Die Situation für die Frau hat sich im Ergebnis sogar verschlechtert.»

Denn statt den eigenen Namen zu behalten, wie das heute eigentlich als Standard vorgesehen ist, übernehmen nach wie vor die allermeisten Frauen den Namen des Mannes. 68 Prozent waren es 2022. Während gerade einmal 3 Prozent der Männer den Namen der Frau annahmen. Es bestehe weiterhin ein sozialer Druck auf die Frauen, den Namen des Mannes anzunehmen, so der Bundesrat.

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«Abschaffung war ein Fehler»

«Es war ein Fehler, die Möglichkeit des Doppelnamens abzuschaffen», sagt Fleur Weibel (40). Die Soziologin arbeitet an der Uni Basel und hat ihre Dissertation über das Heiraten in der Schweiz geschrieben. Dabei hat sie auch speziell das Thema Namenswahl beleuchtet. Sie stellte fest: Ein gemeinsamer Name ist vielen Paaren sehr wichtig.

Doch die offene Diskussion über die Namenswahl, die sich der Bundesrat durch die Gesetzesänderung erhoffte, gibt es bei den meisten Paaren nicht. Für die allermeisten Männer kommt ein Namenswechsel nicht infrage. «Eine Befragte sagte mir: Letztlich trifft man die Entscheidung als Frau allein», sagt Weibel. Ein Entscheid mit Konsequenzen: Behält die Frau ihren Namen, sei das für einige Männer ein Argument, sich «dafür» beim Nachnamen des Kindes durchzusetzen.

«Krüppelnamen» immer beliebter

Susanne Leutenegger Oberholzer gratuliert jeder Frau, die sich dafür entscheidet, ihren Namen zu behalten. Ihren eigenen Doppelnamen bezeichnete die ehemalige SP-Frau in der Ratsdebatte einst als «Krüppelnamen».

Doch inzwischen habe sich viel getan, findet sie. Die Zwei-Namen-Variante ist auf dem Vormarsch. War Leutenegger Oberholzer einst eine Exotin, tragen heute bereits 20 von 246 Parlamentarierinnen und Parlamentariern einen Doppel- oder Allianznamen. Eine Liberalisierung entspreche der gesellschaftlichen Entwicklung, findet die Ex-Politikerin.

Zivilstandsbeamter Peterhans hofft auf eine rasche Gesetzesänderung. Erst kürzlich habe er zwei Paare heimschicken müssen, weil sie sich beim Namen einfach nicht hätten einigen können. Sie wollten unbedingt einen amtlichen Doppelnamen. Es liegt nun am Parlament, ob ihr Wunsch erfüllt wird.

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