Auf einen Blick
- SVP-Nationalräte Aeschi und Graber dürfen Immunität wohl behalten
- Kommissionsentscheid fiel knapp mit 4 zu 3 Stimmen
- Bundesanwaltschaft wollte wegen Rauferei mit Polizisten ermitteln
Es war der Politik-Aufreger des Jahres 2024: Die SVP-Nationalräte Thomas Aeschi (46, ZG) und Michael Graber (43, VS) lieferten sich im vergangenen Juni während des Besuches des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk (49) im Bundeshaus ein Handgemenge mit Polizisten.
Aeschi und Graber versuchten, an Bundespolizisten vorbeizudrängen. Diese hatten eine Treppe im Bundeshaus-Foyer für kurze Zeit auf Anweisung abgesperrt. Die Behörden selbst sprachen von einem «Gerangel mit körperlichem Einsatz und verbaler Auseinandersetzung».
Wird der Vorfall ein juristisches Nachspiel haben? Das scheint nun eher unwahrscheinlich: Die Immunitätskommission des Nationalrats will die Immunität von Aeschi und Graber nicht aufheben. Das hat sie am Mittwochabend bekanntgegeben. Der Entscheid der Kommission fiel knapp, mit jeweils 4 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen.
Die Kommission behandelte ein Gesuch der Bundesanwaltschaft. Sie möchte eigentlich gerne aufgrund des «Verdachts auf Hinderung an einer Amtshandlung» gegen die beiden SVP-Parlamentarier ermitteln.
So kam es zum Nein der Kommission
Die Kommission betont zwar, «dass ungeachtet der jeweiligen Umstände und vorgängigen Informationen den konkreten Weisungen des Sicherheitspersonals Folge geleistet werden muss». Sonst könnten die Sicherheitsleute ihren Auftrag nicht erfüllen. Auch wolle man «die Weisungsbefugnis des Sicherheitspersonals im Parlamentsgebäude in keiner Art und Weise» infrage stellen.
Doch: Laut der Kommission gibt es in diesem Fall Zweifel, «ob die konkreten Anweisungen für die betroffenen Personen im entscheidenden Moment unmissverständlich waren». Unter dem Strich erachtet die Kommission die Aufhebung der Immunität der beiden SVP-Nationalräte als nicht verhältnismässig.
Gemäss ständiger Praxis sei die Immunität nicht aufzuheben, «wenn sich die Strafbarkeit des Verhaltens – stets im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung – als zweifelhaft oder als nicht gegeben erweise» , heisst es dazu im Juristendeutsch.
Aeschi selbst machte in der Anhörung durch die Kommission geltend, dass er körperlich angegangen worden sei, ohne zuvor auf das Durchgangsverbot hingewiesen worden zu sein. Graber fügte hinzu, dass dieses Verbot auch nicht im Vorfeld durch die Parlamentsverwaltung kommuniziert worden sei. Er habe das Gespräch gesucht und zur Deeskalation der Situation beigetragen.
Mit dem Entscheid der nationalrätlichen Kommission ist das letzte Wort nicht gesprochen, er dürfte aber Signalwirkung haben. Nun wird sich noch die zuständige Kommission des Ständerates mit dem Gesuch um Aufhebung der Immunität befassen. Erst mit den übereinstimmenden Entscheiden beider Kommissionen ist die Immunitätsfrage definitiv geklärt.
Immunität schützt vor Strafverfolgung
Parlamentarier und Bundesräte geniessen Immunität vor Strafverfolgung. Sie können unter anderem nicht strafrechtlich für Handlungen im Zusammenhang mit ihrem Amt verfolgt werden. Dieses Privileg kann jedoch aufgehoben werden. Dann kommen die zuständigen Kommissionen des Parlaments ins Spiel.
Allerdings: In der Schweiz wird die Immunität von Parlamentariern so gut wie nie angetastet, vor allem dann nicht, wenn die vorgeworfenen Handlungen unzweifelhaft im Zusammenhang mit ihrer parlamentarischen Tätigkeit stehen.