Da könnte etwas auf die Schweiz zurollen: Das EU-Parlament hat diese Woche für den grenzüberschreitenden Einsatz von sogenannten Gigalinern auf den Strassen der Europäischen Union gestimmt. So sollen die Emissionen im Strassenverkehr reduziert und der Transport verbilligt werden. Damit brauche es weniger Fahrten für mehr Ware, argumentiert die EU.
Auf Deutschlands Autobahnen fahren die «Monstertrucks» bereits. Auch in flächenmässig grossen und dünn besiedelten Länder wie Finnland oder Schweden. Die Super-Brummis sind bis zu 25,25 Meter lang und 60 Tonnen schwer. Nur: In der Schweiz dürfen Lastwagen heute maximal 40 Tonnen schwer und 18,75 Meter lang sein.
Druck auf die Schweiz könnte steigen
Trotzdem befürchten Umweltschutzverbände, dass der Druck der EU auf die Schweiz steigt, künftig solche Ungetüme auf hiesigen Strassen zuzulassen. «Der Entscheid des EU-Parlaments ist ein erster Schritt. Damit wurde die Büchse der Pandora geöffnet», befürchtet Django Betschart (32), Geschäftsführer der Alpeninitiative. Der Verein setzt sich unter anderem dafür ein, dass die Gigaliner von Schweizer Strassen fernbleiben.
Zur definitiven Umsetzung der Pläne braucht es zwar noch die Zustimmung des Europäischen Rates, also der Staats- und Regierungschefs der EU. Diese ist auf nach den europäischen Wahlen vom Juni 2024 angesetzt. Aber: «Den Rat umzustimmen, ist erfahrungsgemäss ein schwieriges Unterfangen», sagt Betschart.
Gigaliner reduzierten weder Staus noch die Belastung durch Lärm, Treibhausgase und Luftschadstoffe, sondern sorgten durch die Rückverlagerung auf die Strasse für noch mehr Belastungen. «Im Falle einer Zulassung würden auf die Schweiz ausserdem enorme Kosten zukommen, um die Strasseninfrastruktur für Gigaliner anzupassen», so Betschart.
Solche bräuchte es etwa an den Schweizer Grenzen: Die Zollanlagen sind nicht auf Gigaliner ausgerichtet. Weiter wären die Parkfelder bei Zollwarteräumen, auf Raststätten und -plätzen viel zu kurz. Kreisel liessen sich kaum passieren, auch Brücken und Tunnels müssten angepasst werden.
Kosten für Infrastruktur in dreistelliger Millionenhöhe
Das Bundesamt für Strassen (Astra) schätzte die Kosten für die Anpassungen bereits 2011 in einer Studie auf einen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe. Gemäss Astra hat die Studie an Aktualität nichts eingebüsst.
Und selbst die Lastwagenlobby kritisiert die Gigaliner. «Zu gross und zu schwer für die Schweiz», sagt André Kirchhofer (46), Vizedirektor des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands Astag. «Die Astag lehnt die Zulassung von Gigalinern in der Schweiz kategorisch ab – unabhängig vom Entscheid der EU.»
«Eckpunkte des Landverkehrsabkommen müssen erhalten bleiben»
Auch in den Verhandlungen mit der EU über die Neuauflagen des Rahmenabkommens ist das ein Thema: In der Schweiz sollen weiterhin höchstens 40-Tönner-Lastwagen zulässig sein, steht im Entwurf des Schweizer-Verhandlungsmandats.
Auch das Mandat der EU sieht zwar vor, dass «besondere Bestimmungen» für die Situation der Schweiz vereinbart werden können, die vom EU-Recht abweichen. Allerdings dürfte die Formulierung wohl bewusst in der Möglichkeitsform gehalten sein.
Für die Astag ist aber klar: «Die Eckpunkte des Landverkehrsabkommens wie Nachtfahrverbot, Verbot von Kabotage oder 40-Tonnen-Limite müssen erhalten bleiben.»
Auch Betschart sagt: «Wir gehen derzeit davon aus, dass der ganze Teil zur Verkehrsverlagerung daher vorerst weiterhin gesichert ist.» Allerdings schliesst er nicht aus, dass die EU auch später Druck machen könnte.