Die Schweiz ärgert sich über die EU – einmal mehr. Vergangene Woche nämlich hat die EU-Kommission das «Green transport package» präsentiert. Mit dem Gesetzesentwurf soll der grenzüberschreitende Einsatz von überlangen Lastwagen, sogenannten Gigalinern, erleichtert werden.
Die Green-Deal-Initiative zielt darauf ab, die Emissionen im Strassenverkehr deutlich zu reduzieren und den Transport zu verbilligen. So brauche es weniger Fahrten für mehr Ware, argumentiert die EU. Nur: Emissionsfreie Fahrzeuge benötigen mehr Gewicht, Achslast und Platz. Sie setzt darum auf Gigaliner. Die EU-Pläne kommen allerdings in der Schweiz ganz schlecht an.
Die Idee mit den Gigalinern ist nicht neu. Bereits vor über zehn Jahren wollte die EU diese Riesenlaster einführen. Nach heftigem Widerstand wurde die Idee vorerst wieder begraben. Auch in der Schweiz wurde eine Motion gegen Gigaliner vom Parlament angenommen.
Starker Druck auf die Schweiz befürchtet
Diese «Monstertrucks» sind nämlich über 25 Meter lang und 60 Tonnen schwer. «Zu gross, zu schwer für die Schweiz», kritisieren Umweltschutzverbände. Aber auch der Bund und selbst die Lastwagenlobby stellen sich auf die Hinterbeine. In der Schweiz gilt heute für Lastwagen und Sattelschlepper eine maximale Zulassung von 18,75 Meter Länge und 44 Tonnen Gesamtgewicht.
In der EU hingegen sind die Gigaliner bereits heute vereinzelt verbreitet, etwa in flächenmässig grossen und dünn besiedelten Länder wie Finnland oder Schweden. Auch in Deutschland können die riesigen Brummis einzelne Strecken schon befahren.
Es wird nun befürchtet, dass die EU so starken Druck auf die Schweiz ausüben könnte, dass sie schliesslich einknicken müsste, wie das Nachrichtenportal «Watson» zuerst schrieb.
«Lärmbelastung würde zunehmen»
«Gigaliner bremsen das Erfolgsmodell der Schweizer Verlagerungspolitik aus, an dem wir seit 30 Jahren arbeiten», sagt Django Betschart (32), Geschäftsführer vom Verein Alpeninitiative. Je billiger die Tonne auf der Strasse werde, desto schwieriger sei es für die Bahn, in diesem Konkurrenzkampf mitzuhalten. «Das Ungleichgewicht wird viel grösser.»
Gleich sieht man das beim Schweizerischen Nutzfahrzeugverband (Astag). Der internationale Transitverkehr von Grenze zu Grenze gehöre auf die Schiene. Denn: «Für den Binnengüterverkehr innerhalb der Schweiz mit kurzen Distanzen und vielen Steigungen eignen sich Gigaliner nicht», sagt Astag-Vizedirektor André Kirchhofer (46).
«Mit dem Einsatz von Gigalinern würde auf der Nord-Süd-Achse zwischen Basel und Chiasso die Lärmbelastung für die Bevölkerung zunehmen. Kommt hinzu: Die Strasseninfrastruktur wird übermässig belastet und wir müssten sehr viel Geld investieren, um diese entsprechend Gigaliner-tauglich zu machen.», argumentiert Betschart.
Tatsächlich: Das Bundesamt für Strassen (Astra) liess bereits 2011 eine Studie zur möglichen Zulassung von Gigalinern auf Schweizer Strassen erstellen. Fazit: Für eine generelle Einführung solcher Lastwagen müsste die Infrastruktur angepasst werden – mit Kosten in dreistelliger Millionenhöhe. Gemäss Astra hat die Studie an Aktualität nichts eingebüsst.
Auch Österreich nicht glücklich
Anpassungen bräuchte es etwa an den Schweizer Grenzen. Die Zollanlagen sind nicht auf Gigaliner ausgerichtet. Weiter wären die Parkfelder bei Zollwarteräumen, auf Raststätten und -plätzen viel zu kurz. Kreisel liessen sich kaum passieren. Auch Brücken und Tunnels müssten laut Kirchhofer angepasst werden. «Die Nachteile überwiegen klar», sagt er.
Allerdings bestehe die Gefahr, dass das Thema in den anstehenden Verhandlungen zum Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU aufs Tapet komme, befürchtet Kirchhofer. Mit einem solchen Szenario rechnet auch der Verein Alpeninitiative. «Wir sind darum im Austausch mit europäischen Umweltverbänden und Verbündeten im EU-Parlament, um die europaweite Zulassung von Gigalinern zu verhindern», sagt Betschart.
Ein Verbündeter dürfte Österreich sein. Auch dort ist man nicht glücklich über die EU-Pläne und wolle sich gegen die Einführung von Gigalinern wehren, wie Verkehrsministerin Leonore Gewessler (45) jüngst in einem Interview sagte.