Am Montag beschloss der Nationalrat, die Frage nach der Hilfe für Selbständige noch in der laufenden Session anzugehen. Auf diesen unerwarteten Sieg brach im linksgrünen Lager grosser Jubel aus.
Das Hochgefühl hielt nicht lange an. Bereits am Dienstag kam der Rat aus juristischen Gründen auf den Beschluss zurück und entschied, die entsprechenden Motionen doch erst während der Herbstsession zu behandeln. Die Kehrtwende war unter anderem durch den Meinungswechsel des Grünen Balthasar Glättli zustande gekommen: Er stimmte zusammen mit den Bürgerlichen für die Verschiebung.
Bei Grünen und Linken sorgte das für Streit, in den sozialen Medien für wüste Vorwürfe und in den Berner Expohallen für Klärungsbedarf: Noch Tage danach sah man linke und grüne Nationalräte häufiger als sonst in Grüppchen beisammen stehen und eifrig diskutieren.
Gemeinsamer Antrag für ausserordentliche Session
Nun zeigt sich, was es damit auf sich hatte. Morgen Montag werden SP und Grüne einen gemeinsamen Antrag für eine ausserordentliche Session einreichen, um die Frage nach der Unterstützung für Selbständige so rasch wie möglich anzugehen. 50 Unterschriften sind für einen solchen Antrag nötig, bis Redaktionsschluss waren 64 beisammen.
Geht es nach Roger Nordmann (47, VD), soll die Sondersession noch vor der Sommerpause stattfinden. «Seit Ende Mai stehen Selbständige ohne jegliche Hilfe da», sagt der SP-Fraktionspräsident. «Damit nimmt der Bundesrat in Kauf, dass zahlreiche Unternehmen in Konkurs gehen und Tausende Menschen in die Sozialhilfe abrutschen, weil sie den ganzen Sommer über ohne Einkommen dastehen.»
Tatsächlich hatte der Bundesrat die Unterstützung für betroffene Selbständige und Kleinunternehmer per Ende Mai auslaufen lassen. Vor allem in der Eventbranche aber sind viele Firmen in einer prekären Situation, da grosse Veranstaltungen bis September verboten bleiben und auch kleinere Anlässe eine Vorlaufzeit von mehreren Monaten benötigen.
Es war diese Zwangslage, die die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit mit den verschobenen Vorstössen angehen wollte. SP und Grüne reichten am Mittwoch eine weitere Motion ein. Sie fordern darin eine temporäre Verlängerung der Arbeitslosenentschädigung.
Die Überlegung von SP und Grünen: Werden alle drei Geschäfte an der Sondersession behandelt, wäre das Problem gelöst, das sich vergangene Woche stellte. Denn die Behandlung der Vorlage war daran gescheitert, dass der Bundesrat zu den Vorstössen noch nicht Stellung genommen hatte – laut Gesetz eine Vorbedingung für die parlamentarische Beratung.
Zeitpunkt vom Bundesrat abhängig
Ganz so einfach dürfte es allerdings auch dieses Mal nicht werden. Schon der Zeitpunkt der ausserordentlichen Session hängt vom Bundesrat ab: Das Ratsbüro kann eine solche erst einberufen, wenn die Antwort der Regierung zu den betreffenden Geschäften vorliegt.
Liegt die Stellungnahme vor, bleibt ein weiterer Stolperstein: Der Ständerat zeigte sich bisher skeptisch über diese Anliegen. Ohne Zustimmung der kleinen Kammer aber kann auch der Nationalrat nichts erreichen.
Und selbst wenn das Parlament Ja sagt, ist das Problem damit nicht von einem Tag auf den anderen gelöst. «Wir würden damit erst dem Bundesrat den Auftrag geben, eine Lösung zu erarbeiten», sagt FDP-Nationalrat Kurt Fluri (64, SO).
Zwar hält Fluri die Sondersession für einen «gangbaren Weg», verhehlt allerdings nicht seine Zweifel: «Angesichts des Widerstands im Ständerat klammert man sich dabei ans Prinzip Hoffnung!»
Auch könne sich die Strategie rächen, grösstmöglichen Druck auf den Bundesrat auszuüben. Fluri hofft deshalb weiterhin auf die einfachste Lösung: dass der Bundesrat die Notverordnung von sich aus verlängert. «Und zwar rückwirkend auf Anfang Juni.»
Dieser Weg wäre, wie er durchblicken lässt, auch SP-Fraktionspräsident Nordmann am liebsten: «Wichtig ist, dass die Menschen so schnell wie möglich Hilfe erhalten.»