Kaum war die Abstimmungsschlacht gegen die Begrenzungs-Initiative der SVP gewonnen, flammte die Diskussion ums Rahmenabkommen wieder auf – eine Debatte, die von den anderen Parteien zuvor tunlichst vermieden worden war. Am Dienstag sprach CVP-Präsident Gerhard Pfister (58) dann Klartext. «Das Ergebnis ohne substanzielle Verbesserungen ist ungenügend», sagte Pfister gegenüber dem «Tages-Anzeiger», «nicht einmal mehr die FDP findet es gut.»
Tatsächlich hatte sich kurz vor der Abstimmung alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann (68, FDP) in der «NZZ» kritisch zum Rahmenabkommen geäussert. Auch wurde ein Schreiben der Sozialpartner publik, in dem diese den aktuellen Entwurf aufs Schärfste kritisieren und festhalten, dass die Ausnahmen beim Lohnschutz ungenügend seien.
«Der Vertrag entspricht nicht dem Mandat, das der Bundesrat hatte», erklärt Adrian Wüthrich, Präsident des Gewerkschaftsdachverbands Travailsuisse. «Das Abkommen überschreitet die roten Linien, die sich der Bundesrat zu Verhandlungsbeginn gesetzt hatte und die von den Sozialpartnern unterstützt werden.» Ein Dorn im Auge ist den Gewerkschaften insbesondere die Rolle, die dem Europäischen Gerichtshof zukommen würde. «Durch dessen Rechtsprechung ist der Schweizer Lohnschutz gefährdet.»
Gänzlich neu ist weder die Skepsis der CVP noch die kritische Haltung der Sozialpartner. Und auch in der FDP war die Begeisterung für das Abkommen stets höchstens lauwarm.
Dennoch ist die jetzige Häufung der Kritik umso paradoxer, als sich seit einem Jahr in Sachen Rahmenabkommen nichts getan hat. Die Äusserungen der Sozialpartner und der CVP dürften deshalb in erster Linie darauf abzielen, den Druck auf den Bundesrat zu erhöhen. Und gleichzeitig eine Message nach Brüssel zu schicken, im Sinne von: Wenn die EU der Schweiz nicht entgegenkommt, bleibt das Rahmenabkommen innenpolitisch chancenlos.
Tatsächlich machen sich derzeit nur noch die Grünliberalen für den Vertrag stark. Für eine Mehrheit im Parlament wird das nicht reichen.