Die Schlagzeile brachte Ueli Maurer (70) auf die Palme: Letzte Woche hatte der «Tages-Anzeiger» getitelt, dass der SVP-Bundesrat in der Corona-Krise sogar noch vorsichtiger öffnen wollte als Gesundheitsminister Alain Berset (48). So habe Maurer Anfang Februar vorgeschlagen, die Restaurants erst am 19. April zu öffnen – ganz anders als seine SVP. Die Volkspartei würde die Beizen am liebsten sofort öffnen, scheiterte damit aber im Parlament.
Maurer veröffentlichte selber auch vertrauliches Papier
Maurer muss über den Zeitungsartikel ziemlich sauer gewesen sein. Denn kurz darauf veröffentlichte sein Departement eine Stellungnahme, wonach es sich nur um ein mögliches Ausstiegsszenario gehandelt habe und keinesfalls um einen Alternativvorschlag. Zum Beweis veröffentlichte das EFD einen Mitbericht, wonach Maurer die Öffnungen der Restaurants-Aussenbereiche per 1. März befürwortet. Ein einmaliger Vorgang. Immerhin ist auch ein Mitbericht als vertraulich klassifiziert.
Bei der Herausgabe des Berichts hat es sich laut Finanzdepartement klar um eine Amtsgeheimnisverletzung gehandelt. Einzig die Bundesratsmitglieder oder jemand aus dem Stab seien im Besitz des Diskussionspapiers gewesen, hält das Departement fest. Jemand aus diesem kleinen Kreis muss das Dokument an die Presse weitergegeben haben.
Doch allem Ärger zum Trotz: Maurer verzichtet auf eine Strafanzeige. Zwar will sich das EFD gar nicht mehr dazu äussern. Auf Anfrage von BLICK bestätigt die Bundesanwaltschaft aber, dass bis «dato keine solche Strafanzeige eingegangen» sei. Maurer macht einzig die Faust im Sack. Auf seine eigenen Regierungskollegen scheint er nicht die Ermittler hetzen zu wollen.
Parlamentarier fordern härtere Gangart
Das Parlament ist da weniger gnädig. Gleich mehrfach ertönt der Ruf nach einer härteren Gangart gegenüber Personen, die vertrauliche Dokumente aus der Bundesverwaltung oder dem Parlament leaken. Kürzlich erst zeigte sich FDP-Ständerat Andrea Caroni (40) als Präsident der Rechtskommission bestürzt über Indiskretionen bei der Suche nach einem neuen Bundesanwalt.
Caroni ist sogar bereit, an Tabus zu rütteln. Gerade bei Personalfragen fordert er schärfere Massnahmen, zum Beispiel die Telefonüberwachung von Parlamentariern oder die Aufhebung des Quellenschutzes bei Journalistinnen.
«Von Einzelfällen kann längst nicht mehr die Rede sein»
Auch Mitte-Ständerat Benedikt Würth (53) und elf seiner Ratskollegen fordern mit einer Motion gezieltere Untersuchungen und Strafen. In der Corona-Krise hätten gerade vor und nach Bundesratssitzungen Indiskretionen massiv zugenommen. «Von Einzelfällen kann längst nicht mehr die Rede sein», schreibt Würth. «Heute muss von einem eigentlichen System von Indiskretionen gesprochen werden.»
Das habe Folgen, so Würth: «Das gegenseitige Vertrauen in der Regierung verschlechtert sich nachhaltig.» Damit werde auch das Vertrauen in die Regierung als Kollegialbehörde geschwächt. Gleiches gelte für das gegenseitige Vertrauen zwischen Bund und Kantonen. Der Bundesrat soll deshalb aufzeigen, wie er künftig dagegen vorgehen will.