Ausser Spesen nichts gewesen. Die SVP ist mit dem Versuch, den Bundesrat in der Corona-Krise zu entmachten, krachend gescheitert. In der vorberatenden Wirtschaftskommission (WAK) hatte die bürgerliche Mehrheit die Regierung noch dazu zwingen wollen, Restaurants oder Fitnesscenter bereits ab dem 22. März zu öffnen. Doch: Am Montagabend in der nationalrätlichen Debatte zum Covid-19-Gesetz krebsten sowohl die Mitte als auch die FDP plötzlich zurück – und liessen die SVP im Regen stehen.
Zwar sind auch FDP und Mitte-Fraktion für möglichst rasche Lockerungen. Sie wollen im Gesetz aber keine fixen Termine festschreiben. Dennoch bleiben die Bürgerlichen bei ihrer Kritik: Der Bundesrat geht ihnen deutlich zu zögerlich vor. Und sie ärgern sich darüber, dass die Regierung das Parlament bei ihren Corona-Entscheiden aussen vor lässt.
«Diktatur»-Vorwurf wiederholt
«Der Bundesrat schränkt Wirtschafts-, Bewegungs- oder Versammlungsfreiheit massiv ein – und das seit einem Jahr», polterte SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (51). Sie sprach erneut von einer «Diktatur des Bundesrats». Deshalb müsse das Parlament dessen Kompetenzen beschneiden – im Covid-19-Gesetz.
Der Bundesrat biete kaum Perspektiven. Noch immer sei unklar, wie es nach dem 22. März weitergehen soll, meinte etwa FDP-Sprecherin Daniela Schneeberger (53): «Die permanente Unsicherheit ist kaum zu ertragen.» Es fehle dem Bundesrat am Willen, die eigene Macht loszulassen. Immer wieder wurde scharf gegen die Regierung geschossen.
«Wir müssen vorsichtig bleiben»
Gesundheitsminister Alain Berset (48) verteidigte den Corona-Kurs des Bundesrats. «Auch wir wollen so schnell wie möglich öffnen», so Berset. «Wir wollen noch im Jahr 2021 zurück zur Normalität. Aber wir haben auch die Aufgabe, die Schweiz durch diesen Sturm zu navigieren.» Berset wandte sich gegen die verlangten Turbo-Öffnungen.
Der Bundesrat wolle abhängig von der Corona-Lage über Öffnungen entscheiden, begleitet von Impfungen und Tests. «Aber weder die Impfung noch die Tests kommen von heute auf morgen», sagte Berset. «Deshalb müssen wir vorsichtig bleiben.»
Aufatmen darf auch die wissenschaftliche Taskforce des Bundes. Die bürgerliche WAK-Mehrheit wollte ihr einen Maulkorb verpassen. Die teilweise «chaotische Kommunikation» habe für Verunsicherung in der Bevölkerung gesorgt, so SVP-Sprecher Thomas Burgherr (58). Man wolle den Überbringer schlechter Nachrichten zum Schweigen bringen, entgegnete Grünen-Nationalrätin Regula Rytz (59). So weit ist es nicht gekommen. Auch dieser Antrag blieb letztlich chancenlos.
«Nutzlose Symbolpolitik»
Die Linke warf den Bürgerlichen denn auch «nutzlose Symbolpolitik» vor. Die Forderungen der Wirtschaftskommission, im Gesetz ein Öffnungsdatum festzuschreiben, seien grotesk, fand Mattea Meyer (33), Co-Präsidentin der SP. «Als würde sich das Virus gesetzlich wegschreiben lassen.» Der Bundesrat soll denn auch künftig nicht die Kommissionen fragen müssen, bevor er neue Corona-Massnahmen verhängt.
Bürgerliche riskierten so einzig eine Verlängerung der Krise, ergänzte Grünen-Sprecherin Franziska Ryser (29). «Wie soll ich ein Parlament ernst nehmen, das die Öffnung von Schiessplätzen in einem Gesetz festschreiben will?»
Die SVP ist damit gescheitert. Dafür sollen geimpfte Personen künftig nicht mehr in Quarantäne müssen, wenn sie Kontakt zu Infizierten hatten, wie der Nationalrat haarscharf mit 97 gegen 96 Stimmen beschlossen hat.
Maurer warnt vor Steuererhöhungen
Auch zu den Finanzhilfen hat der Nationalrat zahlreiche Entscheide gefällt, wobei er offensichtlich die Spendierhosen trug. So hat er die Härtefallhilfe für Unternehmen nochmals deutlich ausgebaut. Mit diversen Gesetzesänderungen würden die Ausgaben von bisher zehn Milliarden Franken um etwa neun Milliarden fast verdoppelt, bilanzierte Finanzminister Ueli Maurer (70).
Unternehmen sollen einfacher an Härtefallhilfen kommen. Nicht nur müssen sie weniger Einnahmeeinbussen nachweisen, auch bei neu gegründeten Firmen zeigte sich der Nationalrat grosszügiger. An den Kosten müssen sich auch die Kantone beteiligen. «Das heisst, dass alle Kantone Defizite schreiben werden und diese vielleicht nur mit Steuererhöhungen stemmen können», gab Maurer zu bedenken. Der Ständerat dürfte vor diesem Hintergrund noch einige Entscheide kassieren.