«Wir erwarten grosses Interesse»
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Alain Berset über Massentests:«Wir erwarten grosses Interesse»

Gesundheitsminister Alain Berset über Massentests
«Wir erwarten grosses Interesse»

Gesundheitsminister Alain Berset ist überzeugt: Die Bevölkerung wird sich an den Gratistests beteiligen. Auch ohne spezielle Anreize.
Publiziert: 07.03.2021 um 01:01 Uhr
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Aktualisiert: 16.03.2021 um 15:06 Uhr
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Am Freitag gab Gesundheitsminister Alain Berset eine neue Testoffensive bekannt.
Foto: keystone-sda.ch
Interview: Camilla Alabor und Simon Marti

SonntagsBlick: Der Bund ruft eine grosse Test­offensive im Kampf gegen Corona aus. Glauben Sie wirklich, dass die Schweiz die Situation damit in den Griff bekommt?
Alain Berset: Die Massentests sind eines von drei Elementen, um wieder zu einer gewissen Normalität zurückzukehren. Die anderen zwei sind die Impfungen und risiko­basierte Öffnungen. Das breitere Testen – in Schulen, Unis, Unternehmen – erlaubt es uns, künftig mehr asymptomatische Personen ausfindig zu machen und Übertragungsketten zu unterbrechen.

Für die Unternehmen bedeuten Tests einen Mehraufwand. Wie bringen Sie die Firmen dazu, trotzdem mitzumachen?
Natürlich bringen die Tests einen gewissen Aufwand mit sich, aber es gibt auch Vorteile. Wenn eine Firma regelmässig 80 Prozent der anwesenden Mitarbeiter testet und ein positiver Fall gefunden wird, müssen die Kontaktpersonen nicht in Quarantäne.

Reicht das als Anreiz wirklich aus, damit Unternehmen massenhaft mitmachen?
Wir alle wollen die heutige Situa­tion hinter uns lassen. Wir gehen deshalb davon aus, dass weiterhin alle bereit sind, mitzuhelfen, gemeinsam aus dieser ­Krise zu kommen. Gratistests sind niederschwellig. Der Bundesrat erwartet ein grosses Interesse.

Schon heute besteht die Möglichkeit, ­Massentests in ­Schulen oder Firmen durchzuführen, ­dennoch machen nur wenige mit. Warum sollte das künftig anders sein?
Heute sind Tests in Unternehmen nur gratis, wenn es zu einem Ausbruch gekommen ist, oder bei Betrieben mit erhöhtem Risiko. Dazu haben gewisse Kantone von sich aus Massentests finanziert. Künftig kommt der Bund für diese Kosten auf. Wenn alle mitmachen, können wir sicherer öffnen und schneller in die Normalität zurückkehren.

Was ist das Ziel: Wie viele Tests sollen durchgeführt werden?
Wir hoffen, dass sich in nächster Zeit jede Woche 40 Prozent der ­mobilen Bevölkerung testen lässt – jene, die zur Schule gehen, in Firmen arbeiten oder sich in Vereinen engagieren.

Auch hier stellt sich die Frage: Wie bringen Sie die Menschen dazu mitzumachen? Im Parlament hat nicht mal die Hälfte der Politiker den Spucktest gemacht.
Ich glaube, es braucht eine gewisse Zeit, bis sich das etabliert. Es ­werden sich sicher nicht bereits am 16. März alle testen lassen. Aber jetzt ist der Moment da, die Ka­pazitäten massiv auszubauen. Kommt hinzu: Die Hürden für ­einen Test werden immer tiefer. Mit den Spucktests und bald den Selbsttests für zu Hause ist das ­Testen sehr einfach.

Nochmals: Braucht es nicht ­zusätzliche Anreize, damit die Leute mitmachen?
Mittels Gratistests können wir ­mithelfen, unsere engen Kontakte zu schützen. Davon profitiert jeder Einzelne.

Experten fordern seit Monaten, dass mehr getestet wird. Warum kommen Sie erst jetzt damit?
Entscheidend sind Verfüg­barkeit der Tests – auch von Schnell- und Spucktests – und Kapazitäten der Labors. Zudem müssen Tests mit ­einer gewissen Zuverlässigkeit eine Infektion nachweisen können. Darum wäre es gar nicht möglich gewesen, viel früher mit Massentests zu beginnen. Kommt hinzu, dass die Massentests für die Kantone ­einen grossen Aufwand bedeuten und diese bereits mit den Impfungen und dem Nachverfolgen der Kontakte viel zu tun haben. Rasches Verimpfen aller verfügbaren Impfdosen ist genauso wichtig wie breites Testen.

Was bedeuten die Massentests: Können Restaurants, Kinos und Fitnessstudios schneller wieder öffnen?
Unser Ziel ist es, die Situation unter Kontrolle zu halten. Massentests und Impfungen werden uns dabei helfen – auch beim Begleiten der Öffnungen. Es kommt auch ­darauf an, wie sich die Fallzahlen entwickeln. In einigen umliegenden Ländern steigen sie derzeit ziemlich stark an, und auch bei uns gehen die Ansteckungen seit ein paar Tagen nicht mehr zurück.

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Das erste Anzeichen einer dritten Welle?
Das weiss niemand. Wir dürfen nicht die Kontrolle verlieren; das hat uns zweimal gedroht. Nehmen die Spitaleintritte erneut zu, sind wieder einschneidende Massnahmen notwendig. Wir machen alles, was wir können, damit es dieses Mal gut kommt.

Die Testoffensive kommt zu einem Zeitpunkt, an dem das Verhältnis zwischen Bundesrat und Parlament angespannt ist. Zufall?
Der Bundesrat ist ständig an der ­Arbeit. Er entscheidet und in­formiert immer dann, wenn etwas bereit ist. Noch vor einem Monat wäre eine solche Testoffensive nicht möglich gewesen. Ich führe viele Diskussionen mit Parlamen­tariern, das ist normal.

Normal? Eine Mehrheit in zwei Kommissionen des Nationalrats will den Bundesrat an einem fixen Datum zu Öffnungsschritten zwingen. Die Geduld mit der Regierung ist zu Ende.
Ich arbeite eng mit dem Parlament zusammen und habe grossen Respekt vor seiner Arbeit. Es stellt sich einmal mehr die Frage: Wer verantwortet was? Der Bundesrat will so rasch wie möglich aus dieser Si­tuation herauskommen, ohne die Kontrolle über die Pandemie zu verlieren. Denn dann verlängert sich die Krise nur.

Aus dem bürgerlichen Lager kommt der Vorwurf, die Regierung beziehe das Parlament zu wenig mit ein.
Der Bundesrat steht in engem Kontakt mit dem Parlament. Bei den ersten Öffnungsschritten sind wir in fast allen Punkten den Forderungen des Parlaments gefolgt. Ausser bei den Terrassen.

Neben den Tests stellen die Impfungen einen wichtigen Pfeiler in der Covid-Bekämpfung dar. Nur hinkt die Schweiz ihrem ­eigenen Fahrplan ­hinterher. Können sich bis im Sommer wirklich alle impfen lassen, die das wollen?
Alle wollen Gewissheit. Die Planbarkeit ist in ­einer solchen Krise ein knappes Gut. Was ich aber verteidige, ist unsere gute Strategie zur Beschaffung der Impfstoffe. Diese lief vor ­einem Jahr an! Bereits im vergangenen Sommer setzten wir auf die schnellsten, besten und sichersten Impfstoffe. Bis Ende Juni werden wir genug Impfstoffe haben, um jenen Teil der Bevölkerung zu impfen, der sich impfen lassen will. Dabei stützen wir uns natürlich auf Schätzungen. Wenn sich plötzlich viel mehr oder weniger impfen lassen, ändert sich das.

Die Rückstände der vergangenen Wochen werden bald aufgeholt?
Ja. Es gab weltweit Lieferengpässe, von denen natürlich auch die Schweiz betroffen war. Im April, Mai und Juni kommen die grossen, matchentscheidenden Lieferungen. Wir haben keinerlei An­zeichen, dass da Engpässe drohen. So lauten die Verträge, das wurde uns garantiert. Also werden wir ­genügend Dosen haben.

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