Lobbyisten reiben sich die Hände. Pünktlich zum Start der neuen Legislatur tritt Artikel 6a der Parlamentsverordnung in Kraft. Der Verein Lobbywatch schreibt von einem «verfrühten Weihnachtsgeschenk». Die paar Zeilen wirken harmlos, beinhalten aber Sprengstoff: «Jedes Ratsmitglied kann eine persönliche Mitarbeiterin oder einen persönlichen Mitarbeiter bestimmen, die oder der im Extranet Zugriff erhält auf die Protokolle der Kommissionen, denen das Ratsmitglied angehört.»
Persönliche Mitarbeiter sollen Ratsmitglieder bei ihrer Arbeit unterstützen, Fakten recherchieren und Dokumentationen erstellen. Dazu müssen sie auch wissen, worum es in den vorberatenden Kommissionen überhaupt geht. Und weil sie laut Verordnung ebenfalls dem Amtsgeheimnis unterstehen, scheint auf den ersten Blick auch alles in Ordnung zu sein.
Kontrollen gibt es nicht
Anders sieht es aber auf den zweiten Blick aus. Für Lobbywatch ist klar: «Die neue Regelung ist ein institutionalisiertes Informationsleck für Lobbyisten, Vertreterinnen von Interessenverbänden und Public-Affairs-Verantwortliche von Unternehmen.» Denn sie alle können sich problemlos von einem Ratsmitglied als «persönlicher Mitarbeiter» ins Bundeshaus einschleusen lassen. Damit bekommen sie Zugriff auf die ansonsten geheimen Unterlagen.
Ob ein Nationalrat oder eine Ständerätin einen Lobbyisten als «Gast» oder «persönlichen Mitarbeiter» bei den Parlamentsdiensten anmeldet, «liegt in der Selbstverantwortung der Ratsmitglieder», erklären die Parlamentsdienste gegenüber Lobbywatch. Kontrollen gibt es keine.
Ruf nach klaren Regeln
Die Gefahr der Unterwanderung ist real. Das zeigt Lobbywatch anhand eines konkreten Beispiels aus der ablaufenden Legislatur. So hat etwa der abtretende Aargauer SVP-Nationalrat Ulrich Gienzendanner (66) Thomas Zeltner als «persönlichen Mitarbeiter» gemeldet. Der ehemalige Direktor des Bundesamts für Gesundheit ist heute Verwaltungsratspräsident der Krankenkasse KPT und damit knallharter Interessenvertreter. Aber auch andere Beispiele zeigen: Die Grenzen zwischen persönlichem Mitarbeiter und Interessenvertreter sind fliessend.
Für den Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer geht das gar nicht. «Für einige Parlamentarierinnen und Parlamentarier scheint es schwer verständlich zu sein, dass persönliche Mitarbeitende nicht als Lobbyisten im Bundeshaus unterwegs sein dürfen», lässt ihn Lobbywatch zitieren. Hier brauche es griffige Bestimmungen. Klar aber ist für Schefer: «Es ist offensichtlich, dass der Verwaltungsratspräsident einer Krankenkasse nicht als persönlicher Mitarbeiter gelten kann.» (dba)