Der SVP-Chef und Tessiner Ständerat Marco Chiesa (48) betreibt – gemeinsam mit dem Tessiner SVP-Nationalrat Piero Marchesi (42) – die Treuhandgesellschaft Ticiconsult. Nun zeigen Recherchen des «Tages-Anzeigers», dass die Firma über ein Jahr lang nicht gesetzeskonform geführt worden sein soll.
Gemäss dem Tessiner Treuhandgesetz muss jedes Treuhandunternehmen im Kanton eine Person im Handelsregister eintragen, die auch im kantonalen Treuhandregister steht. Eine Massnahme, die das Kantonsparlament 2009 nach Skandalen um Mafia-Treuhänder, Drogengelder und Geldwäscherei einführte. Bei Missachtung drohen hohe Bussen.
14 Monate ohne Treuhänder-Eintrag
Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, soll bei Ticiconsult über ein Jahr lang ein anerkannter Treuhänder gefehlt haben. Denn: Chiesa ist Ökonom mit mehreren Abschlüssen, Marchesi Elektriker mit einem Executive Master of Business Administration. Im Juni vergangenen Jahres verliess die einzige Treuhänderin mit dem nötigen Eintrag im Tessiner Treuhandregister die Firma. Erst im August dieses Jahres änderte die Firma dies wieder, nachdem die kantonale Treuhandaufsicht interveniert hatte.
Mittels Stellungnahme weisen die beiden Politiker im «Tages-Anzeiger» jegliches unkorrektes Verhalten zurück. Ein Rechtsanwalt habe in ihrer Firma die Rolle des Treuhänders übernommen, teilen sie mit. Nur: Ein Vertreter der Aufsichtsbehörde widerspricht dieser Auslegeordnung. Eine Treuhandfirma brauche «einen eigenen bevollmächtigten Treuhänder in ihrem Personalbestand», lässt dieser sich zitieren.
Chiesa fühlt sich angegriffen
Chiesa hat auf eine Anfrage von Blick mit einem vorgefertigten Schreiben geantwortet. Darin steht, es genüge, einen Rechtsanwalt im Handelsregister eingetragen zu haben. Anwälte unterlägen nicht dem kantonalen Gesetz über die Ausübung von Treuhandberufen. Im Schreiben kritisiert der Tessiner SVP-Politiker zudem den Artikel als Angriff und Verunglimpfung kurz vor den eidgenössischen Wahlen.
Chiesa und Marchesi gründeten Ticiconsult Ende August 2020 – nur fünf Tage, nachdem Chiesa zum Präsidenten der SVP Schweiz gewählt wurde. Als Geschäftstätigkeiten geben die beiden Partner verschiedenste Treuhandleistungen an. Recherchen der Zeitung zeigen, dass Ticiconsult unter anderem für den Tessiner Ableger der Winterhilfe, die Chiesa präsidiert, die Buchhaltung führte. Die Firma diente zudem bereits mehrmals als Absenderadresse für die SVP-Parteizeitung «Klartext».
Entschädigung als Parteichef über eigene Firma?
Lässt sich Chiesa auf diese Weise seine Funktion als Präsident der Sünneli-Partei vergüten? Die Vermutung liegt zumindest nahe. Denn: Entschädigt wird der Parteichef seit 2009 nicht mehr. Bis dahin wurde der Partei-Vorsitz mit 50'000 Franken jährlich vergütet, seither lebt der Präsident offiziell von Gotteslohn. Einzig die Spesen werden zurückerstattet.
Klar ist: Das Amt als Parteipräsidentin oder Parteipräsident ist kein Schoggi-Job. Die Verantwortung ist gross, die To-do-Liste lang, die Nächte sind kurz. Das war mit ein Grund dafür, warum Chiesas Vorgänger, der heutige Bundesrat Albert Rösti (56), genug hatte.
In den Tamedia-Zeitungen sagte Chiesa bereits 2020, er sei schon immer dafür gewesen, dass der SVP-Präsident entschädigt wird. Bevor er die Parteileitung übernahm, führte Chiesa ein Altersheim im italienischsprachigen Teil des Kantons Graubünden. (oco)