Worin sich Klimaaktivisten wie auch Klimaskeptiker einig sein dürften: Abfall gehört grundsätzlich in die Mülltonne und nicht in den Gulli. Doch was, wenn keine Mülltonne in Reichweite ist, man selbst aber an eine Autobahnausfahrt geklebt ist? Rechtfertigt der Klima-Notstand auch illegales Entsorgen?
Leimflasche landet im Abfluss
Ein Klimaaktivist kam scheinbar zum Schluss: Ja. Zum grossen Missfallen von SVP-Nationalrat Andreas Glarner (60). Er teilte auf Twitter einen Videoausschnitt, der die Entsorgungs-Aktion festhält: «Ein angeblich besorgter Klimachaot klebt sich fest und schmeisst das aus Kunststoff bestehende Leimfläschchen einfach in den Abfluss», empört er sich.
Deutsches Video nach Schweizer Vorfall
Allerdings verschweigt Glarner die Herkunft des Videos. Den Tweet setzte er wenige Stunden nach der Protestaktion vom Dienstag ab, bei der sich Klimaaktivisten in Bern auf der A6 festklebten. Doch mit diesem hat das Video nichts zu tun.
Der von Glarner geteilte Film stammt aus Deutschland, wie ein genauerer Blick auf die Transparente zeigt, auf dem vom 9-Euro-Ticket die Rede ist.
Glarner war das bewusst. Dass seine Follower damit in die Irre geleitet werden, findet er nicht. «Die Klimachaoten sind international vernetzt», behauptete er gegenüber Blick. Es gebe regelrechten Klimachaoten-Tourismus. «Leute kommen aus Deutschland und zetteln solche Aktionen in der Schweiz an.»
Nur: Dafür, dass deutsche Aktivisten an der Berner Demo beteiligt waren, gibt es aber keinerlei Hinweise.
Glarner will dagegen vorgehen
Glarner ärgert sich auf jeden Fall massiv darüber, dass Aktivisten Strassen besetzen: «Sie blockieren damit Leute, die zur Arbeit wollen, und auch Krankenwagen.» Der SVP-Mann kündigt deshalb an, dagegen vorzugehen. In der Wintersession werde er einen Vorstoss einreichen für einen neuen Straftatbestand – «sinngemäss: absichtliches Blockieren des Verkehrs».
Ob das notwendig ist, ist fragwürdig. Die Aktivisten in Bern müssen schon jetzt mit einer Anzeige rechnen, denn Behinderung des Verkehrs und Behinderung des öffentlichen Verkehrs ist bereits heute strafbar.
Uni-Professorin klebte an der A6
Auch der Uni-Professorin Julia Steinberger (48) drohen eine Anzeige und schlimmstenfalls die Kündigung. Die Professorin für ökologische Ökonomie an der Universität Lausanne war bei der Aktion mit dabei. Natürlich fürchte sie die Konsequenzen, erklärte sie gegenüber «20 Minuten». Doch sie sei bereit, ihren Job zu verlieren: «Wenn mein Einsatz bedeutet, dass ich mich opfern muss, dann ist das so. Die Sache wär es wert.»
Teilgenommen habe sie, weil sie vom Fach sei und wisse, dass die Welt in einer existenziellen Klimakrise stecke. «Es ist extrem wichtig, zu verstehen, dass auch Professorinnen und Professoren Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind und dass auch sie aus wissenschaftlicher Sicht den Staat kritisieren dürfen und auf Missstände aufmerksam machen müssen», so Steinberger.
Andere Aktionen bleiben ohne Erfolg
Mitgemacht habe sie, weil sie mit allen anderen Versuchen bisher aufgelaufen sei: Sie habe bereits mehrfach Artikel geschrieben und ihre Ideen der Regierung präsentiert – ohne Erfolg.
Festgeklebt hat sie sich nicht alleine. Hinter der Aktion steckt die Organisation Renovate Switzerland. Sie fordert die sofortige Bereitstellung von vier Milliarden Franken, um 100'000 zusätzliche Personen in den Berufen der thermischen Gebäudesanierung auszubilden.
Die Universität Lausanne unterstütze öffentliches Engagement von Akademikerinnen und Akademikern. «Was jedoch den zivilen Ungehorsam betrifft, so kann die Universität Lausanne nicht in jedem Fall die Justiz ersetzen», erklärte die Uni gegenüber «20 Minuten».