Auf der Autobahnausfahrt der A6 bei Bern-Wankdorf ertönt am Dienstagmorgen wütendes Hupen. LKWs und Autos können nicht weiterfahren und sind gezwungen, anzuhalten. Grund dafür ist eine Strassenblockade von Klimaaktivisten der Gruppe Renovate Switzerland.
Um 08.45 Uhr setzen sich laut Polizeiangaben sechs Aktivisten bei der Ein- und Ausfahrt auf der A6 bei der Wankdorfbrücke auf den Asphalt und blockieren den Verkehr. Unter ihnen auch Julia Steinberger (48), Professorin für ökologische Ökonomie an der Uni Lausanne. «Ich bin hier als Mutter, als Bürgerin, als Lehrerin und als Wissenschaftlerin», wird sie in der Medienmitteilung zitiert. Angesichts des «Klimanotstands» fordere sie ihre Kollegen auf, sich ebenfalls dem zivilen Widerstand anzuschliessen, heisst es in der Medienmitteilung.
Anaïs Tilquin (30), eine weitere Demonstrantin und ehemalige Forscherin für Evolutionsbiologie an der ETH Zürich, ging sogar noch einen Schritt weiter: Vor einem Jahr gab sie ihre Arbeit auf, um sich nur noch der Organisation des Widerstands zu widmen. Ebenfalls bei der Strassensperre dabei waren der Künstler Peter Tillessen (52), der Kellner Nicolas Presti (30) und der Sozialpädagoge Dylan Pouilly (26).
Polizei muss Demonstranten wegtragen
Als schliesslich die Polizei eintraf, klebten sich die Aktivisten an der Strasse fest und weigerten sich, abtransportiert zu werden. Twittervideos zeigen, wie die Polizei teilweise hart eingriff, um die Protestierenden von der Fahrbahn zu entfernen und wegzutragen.
Laut Polizei haben sich drei der sechs Aktivisten an der Strasse festgeklebt. «Die Demonstranten konnten unverletzt von der Strasse gelöst werden», sagte Polizeimediensprecherin Magdalena Rast zu Blick. Unter Umständen habe man etwas mehr Kraft angewendet, wenn die Personen aktiven Widerstand geleistet haben und somit eine Amtshandlung behinderten.
Aktivisten müssen mit Anzeige rechnen
Insgesamt dauerte die Aktion zirka 30 Minuten. Anschliessend wurde der Verkehr wieder aufgenommen – doch nicht ohne Nachwirkungen. «Die Blockade sorgte für erheblichen Rückstau», sagte Rast. «Die Strasse war sicher 20 Minuten komplett gesperrt und erst gegen 9 Uhr konnte der Verkehr wieder fliessen.»
Laut Medienmitteilung von Renovate Schweiz sind alle Demonstranten festgenommen worden. Polizeisprecherin Rast sagt jedoch, es handele sich hierbei um eine Anhaltung, nicht um Festnahmen: «Das bedeutet, dass die Personen beschuldigt und auf die Polizeiwache mitgenommen wurden. Jetzt wird überprüft, wer aktiv an der Blockade mitgewirkt hat. Diese Personen müssen auch mit einer Anzeige rechnen.»
Immer wieder blockieren Renovate-Aktivisten Verkehrsachsen
Hinter der Aktion stand die Organisation Renovate Switzerland. Die Organisation fordert nach eigenen Angaben, dass der Bundesrat sofort vier Milliarden Franken bereitstellt. Mit dem Geld sollen Fachleute für Gebäudesanierungen ausgebildet werden.
Renovate Switzerland blockierte bereits in der Vergangenheit mehrfach Verkehrsachsen. Betroffen waren im Frühjahr unter anderem Autobahnausfahrten in Genf, Lausanne und Bern. Es bildeten sich Staus – zum Teil wurde auch der öffentliche Verkehr massiv eingeschränkt.
Erst am Samstagnachmittag blockierten die Aktivisten die Hardbrücke in der Stadt Zürich. Auch hier hatten sich die Demonstranten an der Fahrbahn festgeklebt, doch nach Ablauf einer Frist räumte die Polizei die Hardbrücke. Sämtliche Protestierende, drei Männer und vier Frauen, seien auf den Polizeiposten gebracht worden, hiess es. Sie würden angezeigt.
Wütendem Chauffeur könnte Anzeige drohen
Dieser Widerstand sorgt allerdings für allerlei Ärger: Ein Video auf Twitter zeigt die wütende Reaktion der Auto- und Lastwagenfahrer. Ein Lastwagenfahrer fährt sogar auf eine Demonstrantin zu. Diese bleibt stehen, worauf der Lastwagen erneut Gas gibt. Schliesslich bricht der Lastwagen langsam durch die Menschenkette.
Jetzt häufen sich Fragen über die Rechtmässigkeit dieses Handelns. «Es wurden Abklärungen bezüglich der Weiterfahrt des Lastwagens aufgenommen», sagte die Kantonspolizei Bern auf Anfrage von Blick. Unter Umständen müsse der Fahrer mit einer Anzeige rechnen.
«Es ist selbstverständlich, dass sich unsere Chauffeure an alle geltenden Verkehrsregeln halten müssen», sagte der Geschäftsführer der Transportfirma gegenüber «20 Minuten». Das heisse auch, mit solchen Momenten umgehen zu können. «Selbstverständlich ist das mühsam, wenn man nicht vorwärtskommt», sagt der Geschäftsführer. Doch sei es eben so, «dass diese Aktionen existieren. Das ist wie beim Stau, damit müssen wir leben», heisst es weiter. Die Firma wolle diesem Vorfall aber noch nachgehen. (zis/hei)