Es galt, Tausende Cyberangriffe abzuwehren: auf militärische Ziele, wichtige Infrastrukturen im Energiebereich oder Finanzsektor. Auf dem virtuellen Schlachtfeld fand in den vergangenen Tagen eine gross angelegte Nato-Übung statt. Militärangehörige aus 33 Nationen nahmen teil – auch rund zwei Dutzend Cyberkrieger der Schweiz.
Ziel war es, technische Fähigkeiten zu trainieren, Prozesse zu testen und Zuständigkeiten für den Ernstfall zu klären, wie das westliche Verteidigungsbündnis Sinn und Zweck der Übung «Locked Shields» beschreibt, der nach eigenen Angaben weltweit grössten und komplexesten internationalen Cyberübung der Welt.
Auch Ukraine trainierte mit
Trainiert wurde in einem fiktiven Konflikt zwischen zwei fiktiven Nationen, wie die Armee betont. Dennoch: Es fällt schwer, die Übung nicht vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs zu sehen. Immerhin sei zur Planung die «aktuelle geopolitische Lage» genutzt worden, «um realistische und herausfordernde Szenarien zu entwickeln, die dem aktuellen Sicherheitsumfeld Rechnung tragen». So steht es auf der Homepage des Cyberverteidigungs-Zentrums der Nato (CCDCOE).
Kommt hinzu: Mit dabei war auch die Ukraine. Erst wenige Tage vor dem Start des Trainings ist der Staat als «beitragender Teilnehmer» («contributing participant») ins CCDCOE aufgenommen worden, wie «Le Temps» berichtet. Auch die Schweiz hat diesen Status.
Man hoffe, die Zusammenarbeit werde die Ukraine und die Mitgliedstaaten näher zusammenbringen, schreibt das Nato-Zentrum. Letztere stünden der Ukraine zur Seite, «bis dieser furchtbare und unnötige Krieg gewonnen ist».
«Grenzüberschreitung»
Widerspricht die Teilnahme an einer Nato-Übung nicht der Schweizer Neutralität? Die Frage ist umstritten. SVP-Ständerat Werner Salzmann (59) spricht von einem Dilemma: «Wir bewegen uns mit dieser Nato-Cyberverteidigungsübung in einer Grauzone. Für den Cyberraum ist der Neutralitätsbegriff sicher noch zu klären.»
Dass auch eine der beiden Kriegsparteien an der Übung dabei war, sei «nicht sehr hilfreich», sagt der Präsident der ständerätlichen Sicherheitskommission. «Das kommt einer Grenzüberschreitung unserer Neutralität natürlich schon nahe.»
Deutlicher wird der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. «Militärische Übungen, an denen involvierte Kriegsparteien teilnehmen, verletzen die verfassungsmässige Neutralität der Schweiz», findet SVP-Nationalrat Franz Grüter (58). «Das muss gestoppt werden.»
Meinungen gehen weit auseinander
Anders sieht es FDP-Aussenpolitiker Hans-Peter Portmann (59). Die Schweiz dürfe als Beobachterin an Nato-Übungen teilnehmen. Das erlaube ihr, ihre Verteidigungsmittel effizient und auf eigenem Territorium zielgerichtet einsetzen zu können. «Der Beobachterstatus hilft uns also, die bewaffnete Neutralität aufrechtzuerhalten», ist er überzeugt.
Auch Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (58) stellt sich vor Verteidigungsministerin Viola Amherd (59): «Unser kleines Land kann sich nur im Verbund wirklich schützen, und dazu sind gemeinsame Übungen unerlässlich.»
SP-Nationalrätin Min Li Marti (47) sieht ebenfalls kein Problem: «Wir waren nie grundsätzlich gegen gewisse Partnerschaften mit der Nato.» Dass die Ukraine ebenfalls teilgenommen habe, könne man kritisieren: «Aber das stand ja nicht auf der Einladung an die Schweiz.»